Dokumentarfilm „Lesvia“: Ein lesbisches Paradies am griechischen Strand
Die englische Dichterin Rose Macaulay spendete der Stadt Mytilini auf Lesbos im Jahr 1965 eine Statue zu Ehren der antiken Dichterin Sappho. Noch heute steht sie dort am Hafen. Und vielleicht war sie der Magnet, der dafür sorgte, dass es ab den siebziger Jahren zu einem erstaunlichen Phänomen auf der Insel kam: Tausende lesbischer Frauen aus westeuropäischen Ländern verbrachten hier den Sommer, feierten, schwammen im Meer, hatten Sex, machten Sport.
Besonders das Dorf Skala Eressos im Westen von Lesbos wurde zu ihrem Treffpunkt, denn es gilt als Geburtsort der Dichterin, die als erste die Liebe zwischen Frauen beschrieb – und der die Lesben ihren Namen verdanken. Eine von ihnen ist die 1962 auf der Insel geborene Tzeli Hadjidimitriou, die jetzt einen Dokumentarfilm über den queeren Sehnsuchtsort gedreht hat. Ausgehend von der eigenen sexuellen Erweckungsgeschichte erzählt sie in „Lesvia“ (Lesbe), wie immer mehr Frauen nach Eressos kamen, schließlich sogar Hotels und Bars eröffneten.
Mithilfe von zahlreichen Fotos, Archivaufnahmen und Interviews entsteht ein lebendiges Bild des freizügigen Strandtreibens. „Es ging immer nur um die Sonne, das Meer und das Flirten“, erinnert sich eine Urlauberin. Eine Griechin beschreibt, wie sie nackt ins Wasser rannte, sich erst für ihren rundlichen Körper schämte und dann von einer Älteren ermutigt wurde, die eigene Schönheit zu erkennen – und die aller um sie herum.
Die Kraft der Gemeinschaft und das unglaubliche Freiheitsgefühl dieser Sommermonate vermittelt „Lesvia“ (9.4., 21 Uhr bei der Queerfilmnacht im Delphi Lux) sehr anschaulich. Frauen, die den Rest des Jahres mit Diskriminierung zu kämpfen hatten, oder sich als „Bürgerinnen zweiter Klasse“ fühlten, wie es eine Interviewte formuliert, waren berauscht davon, plötzlich in der Mehrheit zu sein, sich öffentlich küssen zu können, Hand in Hand zu gehen.
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Die Einheimischen reagierten allerdings zunehmend feindselig. Sie glaubten, dass die oft nackten Lesben andere Tourist*innen abschrecken. Tzeli Hadjidimitriou lässt viele Leute aus Eressos zu Wort kommen, die alte Abneigung klingt immer wieder durch, wenn sie erzählen.
Selbstkritisch merkt eine der damaligen Gästinnen an, dass sich die Lesben wenig respektvoll im Ort benahmen. Deshalb weigerten sich einige Läden, sie zu bedienen. Inzwischen scheint sich ein besseres Miteinander entwickelt zu haben. Einige Lesben kauften Häuser, wohnen jetzt permanent im Dorf, kümmern sich um streuende Tiere. Die große Zeit der von Ausländerinnen geführten Women-Only-Orte ist ohnehin vorbei. Doch neue Veranstaltungen sind entstanden und junge Queers kommen in den Ort, um nach ihren Wurzeln zu suchen.