In Memoriam Michel Majerus: Übertreibung als Rezept

Dreizehn Museen zeigen bundesweit ihre Bestände an Arbeiten von Michel Majerus, fünf Institutionen präsentieren eigene Ausstellungen zu seinem Schaffen – eine solche Würdigung ist in Deutschland noch keinem jüngeren Künstler zuteilgeworden. Nicht zu seinen Lebzeiten und auch nicht nach seinem Tod.

Diese wilde Übertreibung, möglichst viele Orte gleichzeitig zu bespielen, passt zum überbordenden Schaffen des Künstlers, der im November 2002 bei einem Flugzeugabsturz mit nur 35 Jahren tragisch ums Leben kam.

Nun sind es die Nachlassverwaltung von seinem Atelier im Prenzlauer Berg aus und seine Berliner Galerie sowie die Institutionen, die sich um sein Werk kümmern. Und es wird einem beklommen, wenn man die Vitalität dieser Bilder erlebt, mögen auch die Motive – die Manga-Figuren, die Schriftzüge, die Werbung – typisch für die 1990er Jahre sein.

Gewiss, seine Methodik des wilden Mixens ist bezeichnend für das damalige Sampling. Und die kerlige Malerei – auch wenn Majerus in seiner fragilen Erscheinung kaum wie ein Macho wirkte – passt zunächst nicht mehr in eine Zeit, in der Achtsamkeit zum Schlagwort geworden ist und Künstler:innen eher behutsam ihre Befindlichkeiten verarbeitet.

Trotzdem oder gerade deswegen reißt Majerus‘ temperamentvolle Malerei weiterhin mit, wirkt ihr Spirit immer noch. Da hat sich einer in den reißenden Strom an Bildern geworfen, der damals noch beklagt wurde, hat seine eigenen Strudel daraus gebildet. Hinter der Übertreibung steckte nicht Affirmation, nicht Medienkritik, sondern eine Form künstlerischer Einverleibung, die auch psychologisch funktioniert. Umarme Deinen Feind. Wobei Majerus Bussi Bär, die Firmen-Logos, die Prilblume und das Splash geliebt hat.     

Nicola Kuhn war geflasht, als Michel Majerus 2002 das Brandenburger Tor mit dem Bild vom Schöneberger Sozialpalast ummantelte.

Zur Startseite