Sehnsucht, die wie Feuer brennt
Entschuldigungen können wehtun. Manchmal auch dem Zuhörer. Aus der cremigen Mea-Culpa-Ballade „It’s hard for me to say I’m sorry“ der amerikanischen Rockband Chicago hat Roland Kaiser 1998 eine kernigere Selbstanklage gemacht. „Es sagt sich nicht so leicht, verzeih’ mir“, lautet der Refrain. Begleitet von einem metallisch wabernden, ein Spinett nachahmenden Synthesizer stellt er fest: „Jeder braucht ein bisschen Zeit für sich allein / Um frei zu sein, um zu träumen.“ Finger schnipsen, Backgroundsänger säuseln „Uhuhuhuu“. Kaisers singt in langen Bögen, Reue beschwört er mit Vibrato: „Die Freiheit hat mich nie frei gemacht / Es wurde bloß in meiner Seele Nacht.“ Gegen Ende heult eine E-Gitarre.
Irrwege der Liebe
Um die Irrwege der Liebe, ums Begehren und Fremdgehen geht es in Kaisers Texten, eine Illustrierte bezeichnete ihn als „Softie-Pornograf“. Die „Komponente Erotik“ habe immer eine Rolle gespielt, sagt er selbst. Selbstironie gehört zu den Stärken des Sängers. „Wäre ja furchtbar, wenn jeder meine Schlager hören müsste“, hat er in einem Interview befunden.
Den Durchbruch schaffte er 1977 mit „Sieben Fässer Wein“, der von einem Junggesellenabschied erzählt und eigentlich für Rex Gildo gedacht war. Das Trinklied ist ihm heute peinlich, er hat es aus der Konzert-Playlist gestrichen. Seinen Hit „Santa Maria“, der von Christoph Kolumbus’ Flaggschiff handeln sollte, musste er auf Wunsch des Produzenten umschreiben. Die neuen Zeilen lodern heiß: „Santa Maria – Insel, die aus Träumen geboren / Ich hab meine Sinne verloren / In dem Fieber, das wie Feuer brennt.“
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Roland Kaiser, der mal Ronald Keiler hieß, hat seine Autobiografie „Sonnenseite“ genannt. Dabei gab es in seinem Leben, das am 12. Mai 1952 in West-Berlin begann, auch viel Schatten. Von der Mutter in einem Korb vor einer Kirche abgelegt, wuchs er bei einer Adoptivmutter auf, die starb, als er 15 war. Seinen 70. Geburtstag kann er nur deshalb feiern, weil ihm eine Lungentransplantation 2010 das Leben rettete.
Eingemischt in die Politik
Vielleicht hat ihm diese Fügung das Gefühl gegeben, frei zu sein. Kaiser, der als Kind auf dem Schoß von Willy Brandt gesessen haben soll, ist zuletzt auch zu einem politischen Akteur geworden. Auf einer Anti-Pegida-Kundgebung in Dresden hat er gesagt: „Setzen wir der Angst vor dem Unbekannten die Neugier entgegen.“
Inzwischen gibt es keinen deutschen Schlagerstar alter Schule, der größere Arenen füllt. Die Berliner Waldbühne, in der er als 13-Jähriger die Rolling Stones gesehen hat, ist bei seinen Konzerten genauso ausverkauft wie die „Kaisermania“-Termine am Dresdener Elbufer. Live bekommen seine Lieder Disco-Wumms, Kaiser zeigt sich im Smoking und mit Fliege. Ein Entertainer, der standhaft bleibt.