„Gladiator II“ im Kino: Kampfaffen unter sich
Ruhm und Ehre. Ehre und Stärke. Männer wie wir – Wicküler Bier. Huch, die letzte Parole passt nicht … Oder vielleicht doch. Denn die Werte, die in dem neuen Film des fast 87-jährigen „Alien“- und „Blade Runner“-Regisseurs Ridley Scott bis aufs Blut verteidigt werden, sind anachronistische, hohle Haltungen, die viel mit einem bestimmten Männerbild, und wenig mit der Realität zu tun haben.
Der „Gladiator“ mit Russel Crowe bekam fünf Oscars
Nun spielt „Gladiator II“ mitnichten in der Gegenwart, sondern 16 Jahre nach dem Ende vom ersten Gladiator-Monumentalwerk, mit dem Scott im Jahr 2000 den Sandalenfilm per digitaler Elektroschocktherapie wiederbelebte, und für das es bei der Oscarverleihung fünf Auszeichnungen gab, darunter eine für Hauptdarsteller Russell Crowe als Tribun Maximus.
Es ist also alles wie üblich im Monumentalfilm: Starke Männer, deren einzige Schwäche die Liebe zu einer Frau sein darf (mal ist es eine Geliebte, mal, wie in Lucius‘ Fall, auch eine entfremdete Mutter). Sie zeigen Bein im Römerröckchen, lassen den Bizeps unter dem Harnisch hervorschwellen. Sie beißen die Zähne zusammen, wenn ihnen ein menschlicher Gegner, ein Kampfaffe, ein Rhinozeros oder auch ein Hai die Nase abbeißt. Denn das muss man Scott lassen: Mit diesem Film hat er das Kolosseum zumindest als Kampfbühne nochmal auf ein anderes, nämlich submarines Level gehievt.
In einer teuren Szene meucheln die Crews zweier Kampfschiffe sich in der mit Wasser gefluteten Arena zum Vergnügen der Regenten und des blutdürstigen Volks – und umrahmt von Raubfischen, die jeden, der verletzt vom Schiff purzelt, stante pede zerfetzen. Den letzten beißen buchstäblich die Haie.
Generische Gewalt
Die historische Genauigkeit der vielen Kolosseum-Szenen sei sich geschenkt – wie die riesigen Galeeren in das flache Wasserbett kommen, oder wieso man die Aussagen der Herrscher rein akustisch in der gesamten, offenen, mit zigtausend schreienden Menschen gefüllten Arena versteht, darf ruhig vom Larger-than-life-Narrativ hinweggewischt werden.
Richtig ärgerlich ist dagegen das Generische der Gewalterzählung an sich: Ist das – jetzt durch CGI – exakt dargestellte Abhacken von Körpergliedern, das Durchbohren von Gehörgängen oder das bestialische Erschlagen eines lebenden Menschen wirklich kinematisch so großartig, dass man es zeigen und vor allem sehen will? Was ist der Mehrwert der uralten Mann-will-Rache-Story, wenn die Protagonisten dabei austauschbar bleiben?
Denn Scott und sein Autor Scarpa gestehen ihren Figuren darüber hinaus kaum interessante, motivierende Charakterzüge zu, Humor schon gar nicht, sämtliche Love Interests sind tot. Die einzigen Gefühle, die sie antreiben, heißen Rache, Größenwahn und männerbündnerische Solidarität. Schwächen, Ambivalenzen sucht man vergeblich. Dass die Kaiserbrüder zudem als „weibisch“, nämlich als permanent stark geschminkte, irrationale, mit Schmuck behangene Seelchen konnotiert werden, gibt dem Dicke-Äxte-Spektakel den tumben Rest.
Der pathetische, ideenlose Filmscore tut sein Übriges. Und das eingangs erwähnte Motto „Ehre und Stärke“, das der vom irischen Schauspieler Paul Mescal voller Inbrunst verkörperte Lucius tatsächlich am Ende seinen Männern verklickert, hat noch nie etwas gebracht. Ein solches Motto zu heroisieren, anstatt es zu entlarven, ist die große Schwäche des Films.