„Ein Highlight für den gesamten Berliner Mädchenfußball“
Unerwartete Erfolge sind meistens die emotionalsten, doch manchmal verursachen sie auch viel Arbeit. Am vergangenen Wochenende haben sich die B-Juniorinnen des 1. FC Union überraschend Platz zwei in der Bundesliga gesichert und sich damit erstmals für das Halbfinale um die deutsche Meisterschaft qualifiziert. Ihren Verein haben die 16 und 17 Jahre alten Spielerinnen damit ziemlich aus der Sommerpause gerissen, die sich nach dem Saisonende der Männer-Profimannschaft am Rande der Wuhlheide unweigerlich ausgebreitet hatte. Für das Hinspiel am Samstag (11 Uhr) im großen Stadion An der Alten Försterei gegen Eintracht Frankfurt musste einiges organisiert werden – und selbst beim Berliner Fußball-Verband (BFV) war in den vergangenen Tagen viel los.
Denn eigentlich hätte Unions U 17 am Sonntag im Volkspark Mariendorf das Landespokalfinale bestreiten sollen. Doch zwei so wichtige Spiele an aufeinanderfolgenden Tagen, das ging nun wirklich nicht. Das Endspiel gegen Viktoria 89 wird nun verlegt und bei Union gilt der gesamte Fokus dem Duell mit Frankfurt am Samstag, das Christine Lehmann vom BFV als „Highlight für den gesamten Berliner Mädchenfußball“ bezeichnet. Bei Union wissen sie um ihre große Chance. „Die Mädchen sind schon etwas nervös, bei mir ist es vor allem Vorfreude“, sagt Trainerin Anja Matthes, 32.
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Speziell ist das Erreichen der Endrunde nicht nur für die B-Juniorinnen, sondern für den ganzen Verein. Unions Erfolge im Jugendbereich sind bisher überschaubar. In der Bundesliga ist die weibliche U 17 zuvor nie über Platz fünf hinausgekommen, die männlichen Nachwuchsteams sind bis auf ganz wenige Ausnahmen auch eher im Tabellenmittelfeld zu finden. Sie höre in den vergangenen Tagen immer wieder, wie groß die Bedeutung dieses Halbfinales für den Verein sei, sagt Matthes. „Aber wenn ich ganz ehrlich bin, habe ich das immer noch nicht ganz realisiert.“
Die Trainerin ist seit 20 Jahren Union-Mitglied, hat selbst von der U13 bis zur Frauen-Regionalliga gespielt, bevor sie verletzungsbedingt auf die Trainerbank gewechselt ist. Tagsüber ist sie im Projekt „Profivereine machen Schule“ beschäftigt, nachmittags kümmert sie sich dann um die Köpenicker Nachwuchstalente. Die von Unions Präsident Dirk Zingler kürzlich angekündigte Professionalisierung des Frauenbereichs freut Matthes aufgrund ihrer langjährigen Erfahrungen im Klub besonders: „Dieser Schritt ist wichtig für Union, aber auch für den gesamten Frauenfußball.“
500 Zuschauer wären ein „Riesenbrett“
Dass sie nun mit ihrer U 17 zu den vier besten Mannschaften Deutschlands gehört, überwältigt Matthes immer noch. „Hätte man mich vor Saisonbeginn gefragt, was möglich ist, hätte ich gesagt, dass wir die Klasse halten. Aber Platz zwei vor Wolfsburg hat uns alle überrascht“, sagt die Trainerin. Dass ihre Mannschaft die Seriensiegerinnen des deutschen Fußballs tatsächlich noch überholt hat und am letzten Spieltag zum ersten Mal in dieser Saison auf den wichtigen zweiten Platz geklettert ist, war an Dramatik kaum zu überbieten.
Union gewann am vergangenen Samstag 5:2 bei Turbine Potsdam, musste aber auf Schützenhilfe hoffen. Da das Parallelspiel des SV Meppen gegen Wolfsburg etwa 20 Minuten in Verzug war, blickten die Unionerinnen auf dem Rasen gebannt auf ihre Telefone, bis der Liveticker endlich die erlösenden Meppener Tore anzeigte. „Direkt nach dem Spiel konnten wir das noch gar nicht richtig realisieren. Als wir am Sonntag aufgestanden sind, haben wir erst mal auf die Tabelle geguckt: Und es stimmt wirklich“, sagt Matthes.
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Nun steht für die Berlinerinnen am Samstag das wahrscheinlich größte Spiel ihrer bisherigen Fußballlaufbahn an. Im Stadion sind sie sonst maximal als Zuschauerinnen, nun spielen sie selbst dort, wo sonst die Profis vor 22.000 Fans antreten. „Der Rahmen wird im großen Stadion natürlich ganz anders sein als gewohnt, aber wir versuchen, uns so normal wie möglich vorzubereiten“, sagt Matthes, die den Zusammenhalt und die Leidenschaft als größte Stärken ihrer Mannschaft sieht.
Wie groß die Kulisse am Samstag wird, das kann selbst der Verein schwer einschätzen. Der Eintritt ist frei und einige Fans werden die Chance sicherlich nutzen, in der Sommerpause der Männermannschaft noch mal Stadionluft zu schnuppern. „Wenn richtig schönes Wetter ist, kommen sonst vielleicht mal 80 Leute. Wenn es am Samstag im Stadion 500 werden, wäre das schon ein Riesenbrett“, sagt Matthes.