Wie Asterix und Obelix zu Berlinern wurden
Berliner gelten als eigensinniges, gelegentlich rabiates Völkchen, das nicht gerade für seine herzliche Art gegenüber Menschen von außerhalb bekannt ist. Da liegt ein Vergleich mit jenem von unbeugsamen Galliern bevölkerten Dorf nahe, die einst um 50 v. Chr. den Besatzern Widerstand leisteten. Oder anders gesagt: Die „den unjefragt dazujezogenen römischen Flachwichsan Feua untam Hintan“ machten.
So lässt es sich nachlesen im kürzlich erschienenen Comic-Album „Schwabylon Berlin“ (Egmont Comic Collection, 48 S., 14 €), dem inzwischen dritten Versuch, Asterix („‘n blitzjescheita laufenda Meta“), Obelix („soloselbständja Findlingsschpeditöa und großa Liebhaba von Keilern und Keilerei“) und ihre schnauzbärtigen Weggefährten berlinern zu lassen.
Mundart-Übertragungen wie diese haben sich als Teil der Verwertungskette für eine der kommerziell erfolgreichsten Comic-Marken der westlichen Welt etabliert, seit vor 25 Jahren das Album „Dr große Graba“ die Gallier erstmals Schwäbisch sprechen ließ.
1998 gab’s mit „Die Platte Jottweedee“ (basierend auf dem Album „Die Trabantenstadt“) den ersten Versuch, die französischen Comic-Ikonen berlinern zu lassen, 2002 ging’s mit „Asterix und det Pyramidenluda“ (nach: „Asterix und Kleopatra“) weiter, damals übersetzt von Dieter Hallervorden.
Nun hat der Berliner Egmont-Verlag, der die deutschen Rechte an den Asterix-Comics besitzt, den Musiker und Komiker Martin „Gotti“ Gottschild („Tiere streicheln Menschen“) beauftragt, die vor gut 60 Jahren geschaffenen Figuren ein weiteres Mal berlinern zu lassen.
„Dit jibs doch in keen Russenfilm!“
Gottschild übersetzt die Dialoge der Gallier nicht nur in einen rüden Berliner Straßen-Slang, er gibt der vor gut 2000 Jahren spielenden Geschichte auch etliche gegenwärtige Alltagsbezüge – von Volksbühne und Späti bis zu Berghain und Fernsehturm wird hier kaum ein Berliner Klischee-Ort ausgelassen.
Gottschilds Berlinerisch ist dabei nicht nur moderner und rauer als die Mundart, die Hallervorden den Figuren einst in die Sprechblasen schrieb.
Er ist auch östlicher geprägt, was deutlich wird, wenn der in Pankow geborene Gottschild die Gallier von der Kaufhalle sprechen lässt, der Dorfbarde Troubadix sein Baumhaus in Anlehnung an einen Defa-Märchenfilm als „mein singendes, klingendes Bäumchen“ bezeichnet oder wenn Asterix an einer Stelle in Anlehnung an einen Buchtitel Thomas Brussigs ausruft: „Dit jibs doch in keen Russenfilm!“
Die für die Übersetzung ausgewählte Geschichte „Gallien in Gefahr“ stammt von 2005 und ist nach Meinung vieler Fans die schwächste der Serie. „Asterix in Gagaland“ lautete damals der Titel der Tagesspiegel-Rezension über die unausgegorene Science-Fiction-Groteske. Sie handelt von einer bizarren Außerirdischen-Invasion in dem bekannten gallischen Dorf.
Dieses Album wird von vielen Fans als der stärkste Beweis dafür gesehen, dass der 1977 gestorbene Autor René Goscinny – zusammen mit dem 2020 gestorbenen Zeichner Albert Uderzo Schöpfer von Asterix, Obelix und Co. – mit seinem subtilen Witz einen unverzichtbaren Anteil an der Qualität der Serie hatte, die inzwischen von einem anderen Zeichner-Autoren-Duo weitergeführt wird.
„Jetzt pass ma uff, Keule!“
Die Aliens werden bei Martin Gottschild zu Besuchern von einem Stern namens Schwabylon. Deren Anführer stellt bei der ersten Begegnung mit Asterix und Co. in dialektfreiem Deutsch fest: „Offenbar ist Eure Zivilisation längst nicht so weit entwickelt wie unsere“. Woraufhin Asterix ihn in den Würgegriff nimmt und anblafft: „Jetzt pass ma uff, Keule!“
Wer mit diesen Figuren groß geworden ist und ihre Abenteuer auf Hochdeutsch oder als Schullektüre im französischen Original gelesen hat, dürfte es befremdlich finden, wenn sie plötzlich wie Berliner Fatzkes plappern.
Zwar könnte man einwenden, dass die für dieses Album gewählte Geschichte schon im Original dermaßen durchgeknallt ist, dass der Schaden sich in Grenzen hält. Dennoch dürfte es manchen Fans so gehen wie Obelix, der an einer Stelle des Albums ausruft: „Dit is mia zu blöd.“