Für die Deutschen wird es ein Abenteuer mit vielen Unwägbarkeiten
Es kann ja manchmal so einfach sein im Sport. Zumindest für Thomas Bach, den Chef des Internationalen Olympischen Komitees (IOC). Der einstige deutsche Fechtsportler sagte am Donnerstag in Peking: „China ist jetzt ein Wintersportland.“ Das wäre schon eine ganz große Sache für den Wintersport, wenn das von den Einwohnerzahlen größte Land der Erde nun auch ein gewichtiges Mitglied der weltweiten Wintersportfamilie wäre. Es sind allerdings Zweifel angebracht, dass nach diesen am Freitag mit der Eröffnungsfeier beginnenden Winterspielen allzu viel vom Wintersport in China übrig bleibt.
Die Probleme rund um die seltsame Veranstaltung in der Corona-Blase sind hinlänglich bekannt (siehe auch Meinungsseite). Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International forderte das IOC am Donnerstag wieder einmal zur Kritik an den Menschenrechtsverletzungen in China auf. Der China-Experte bei Amnesty Deutschland, Dirk Pleiter, sagte, die Hoffnung, dass die Spiele in Peking einen positiven Einfluss auf die Menschenrechtslage in China haben könnten, sei bestenfalls naiv zu nennen.
2900 Athlet:innen werden in Peking an den Start gehen, die meisten von ihnen sind schon in der chinesischen Metropole, respektive in der Parallelwelt Olympia angekommen. Jeden Tag werden neue Corona-Fälle bei der Einreise und auch dann in der Blase entdeckt. Das deutsche Team in Peking war bereits am Donnerstag von sechs neuen Corona-Fällen betroffen. Ob unter den Infizierten auch Sportler sind, teilte der Deutsche Olympische Sportbund am Donnerstag zunächst nicht mit. Drei „Teil-Mannschaften“ seien betroffen, hieß es. Alle Infektionen seien bei der Einreise festgestellt worden. Die Betroffenen hätten keine Symptome und seinen vom Rest des Teams separiert worden.
Zuvor war Eiskunstläufer Nolan Seegert als erster deutscher Sportler bei den Winterspielen positiv auf das Coronavirus getestet worden. Andere Nationen traf es schon härter: Die russischen Eishockeyspielerinnen etwa müssen in ihrem ersten Gruppenspiel am Freitag auf sechs Spielerinnen aufgrund von positiven Corona-Tests verzichten. Bei den Männern wurde nun schon ein Spieler aus Tschechien positiv getestet, das Turnier der Männer beginnt allerdings erst kommende Woche.
Deutsche Medaillenchancen im Bob und Skeleton
109 Medaillen-Entscheidungen wird es in den kommenden 16 Tagen nach der Eröffnungsfeier geben, so viele wie nie zuvor bei Olympischen Winterspielen. Die Deutschen sind traditionell in den Disziplinen mit großen Chancen, die bei ihnen im Land eine große Rolle spielen. Das soll aber nicht mehr heißen: Die Halfpipe mit der coolen Mucke gehört den anderen flippigen Ländern, da wo mit viel Tradition gelaufen und geschossen wird, sind wir vorn.
Sicher, deutsche Medaillen im Bob und Skeleton sind nicht nur möglich, sondern wahrscheinlich. Auch in der nordischen Kombination kann es einen Podestplatz für Deutsche geben. Zudem ist im Skispringen, auch wenn es zuletzt bei den Männern nicht so lief, etwas drin. Karl Geiger und Markus Eisenbichler könnten gut dabei sein, wie auch Katharina Althaus bei den Frauen, die ja schon 2018 in Südkorea zu Silber sprang. Ausgerechnet im Biathlon allerdings, einst in Deutschland als Sportart erfunden, sind die Chancen diesmal wohl eher gering.
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Bei den olympischen Snowboard-Wettkämpfen ist Ramona Hofmeister ein heißer Tipp: Die Bronze-Gewinnerin von Pyeongchang könne nach dem Rücktritt von Weltmeisterin Selina Jörg glänzen. Eine erneute Olympia-Medaille ist auf jeden Fall drin. Bei den Alpinen sieht es, das ist nicht ganz so neu nach der Generation nach Maria Höfl-Riesch und Felix Neureuther, nicht so glänzend aus: Romed Baumann, Andreas Sander und Kira Weidle könnten aber durchaus um einen Platz auf dem Podest fahren.
Auf dem Eis ist da im Eiskunstlauf und im Eisschnelllauf wohl eher weniger zu erwarten. Im Eishockey sind die Frauen diesmal wieder nicht am Start, die Männer haben allerdings eine Silbermedaille zu verteidigen. Das Turnier beginnt erst in der kommenden Woche und könnte zu einer Lotterie werden, wenn Corona im Powerplay mitspielen sollte. Wenn sie gesund bleiben die deutschen Spieler, dann sind sie wieder im Rennen um die Medaillen dabei.
Hauptsache gesund
Im Medaillenspiegel von Pyeongnchang belegte das deutsche Team hinter Norwegen den zweiten Platz im Jahr 2018, Platz eins wurde nur durch die Niederlage im olympischen Eishockeyfinale verpasst. 31 Medaillen waren es 2018 für das deutsche Team insgesamt. Eine stolze Marke, die diesmal von den Athlet:innen aus Deutschland wohl eher nicht erreicht werden wird. Aber das ist vielleicht auch nicht so wichtig, wichtiger als viele Medaillen ist sicher, dass möglichst viele Sportler:innen gesund von diesen Spielen zurückkehren.
Wie viel dann nach 16 Tagen Wettbewerb in den kommenden Jahren noch von der Wintersportnation China übrig sein wird, das ist eine Frage, die sich im Vorfeld ohne große hellseherischen Fähigkeiten mit „wenig“ beantworten lässt.