Sensationstor von Kimmich und Musiala: Abgezockt? Das kann man auch rücksichtslos nennen!
Balljunge, Kimmich, Musiala, Tor. Donnerwetter. Ein Husarenstück. Gegen Donnarumma, einen der besten Torhüter der Welt – der aber grad abgelenkt war. So wie seine als Catenaccio-Italiener im Toreverhindern eigentlich immer weltmeisterlichen Vorderleute. Wir jubeln über so viel Geistesgegenwart, Ausgebufftheit, Abgezocktheit.
Und niemand, niemand, stellt auch nur ansatzweise die Frage in den Raum, ob Tore wie dieses 2:0 hinsichtlich dessen, was wir ja immer als ganz zentral im Sport und auch in einer wünschenswerten Gesellschaft herausstellen – Fairness – vielleicht doch fragwürdig sind.
Regelkonform war das Tor, so wie andere ähnliche Treffer auch. Tor ist, wenn der Schiedsrichter pfeift. Und Spielunterbrechung ist auch, wenn der Schiedsrichter pfeift. Er hat nicht gepfiffen, und er hatte auch keinen Grund dazu.
Schnell ausgeführte Freistöße, Einwürfe, manchmal auch Ecken, sind Teil des heute so schnellen Spiels. Aber eine Situation, in der gleich mehrere Gegner ganz offensichtlich nicht „bereit“ sind und das Tor buchstäblich leer ist, ist dann doch nochmal etwas anderes.
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Warten auf ein „Bereitsein“ des Gegenübers ist eine der ungeschriebenen Fairness-Regeln im Sport und im Leben. In manchen Sportarten gehört es auch zu den geschriebenen, wenn nötig überprüft durch den Referee. Es schützt, etwa in Kampfsportarten, auch vor Verletzungen.
Und man muss sich nur einmal Alexander Zverev vorstellen, der schnell zur Grundlinie rennt, um dem noch nicht bereiten Novak Djokovic ein Ass ohne Abwehrchance zu servieren. Die Regeln verbieten das. Würde nur diese eine Regel abgeschafft, das gesamte Spiel würde sich komplett verändern.
Liverpool kam mit gleicher Ecke in der Champions League weiter
Wir bejubeln jetzt mit Kimmich und Musiala Abgezocktheit, Kälte und etwas, das man durchaus Rücksichtslosigkeit nennen kann. Die Regeln belohnen diese Art Verhalten, in diesem Falle mit dem knappen Einzug in ein Finalturnier. Eine ähnliche Ecke mit de facto abwesender Abwehr brachte Jürgen Klopps Liverpool 2019 den Finaleinzug in der Champions League gegen den FC Barcelona.
Und natürlich wäre eine Regel, die auch im Fußball „Bereitschaft“ der Abwehr bei einer Ecke voraussetzt, eine Einladung zur Spielverzögerung und deshalb sicher nicht sinnvoll. Aber darum geht es nicht.
Es geht, wie eben in so vielen anderen Bereichen der Gesellschaft, des täglichen Lebens, des miteinander Auskommens, des Geschäftemachens, um eine keine Gesetze und Verordnungen bedürfende menschliche Grundfähigkeit: die, das eigene Verhalten in einer bestimmten Situation dahingehend einzuschätzen, ob es fair ist oder nicht. Es geht darum, ob man Erfolg wirklich „um jeden Preis“, der erlaubt ist, anstrebt.
Was du nicht willst, dass man dir tu‘… Es geht auch darum, ob wir als Zuschauer, Umstehende, Gesellschaft, Kollegen, faires Verhalten belohnen oder zumindest würdigen. Oder ob wir, wie in diesem Falle dem als Mannschaftsführer auch noch eine ganz besondere, potenziell eben „Vorbild“-Rolle Einnehmenden, zu seiner Eiseskälte und Rücksichtslosigkeit gratulieren. Und den Gegner, der ja auch – schon vergessen? – Spiel-Partner ist, de facto verhöhnen.