Nach Online-Kritik an der Leitung: Berlinale nimmt Stellung zu Einladungen an AfD-Abgeordnete
Nach der Kritik einer internationalen Online-Petition an Einladungen von AfD-Politikern zur Berlinale-Eröffnung hat die Festivalleitung sich erneut gegen Rechtsextremismus ausgesprochen. Mitglieder der AfD verträten zutiefst antidemokratische Positionen, die den Werten der Berlinale und deren Mitarbeitenden widersprächen, heißt es in einem Statement von Geschäftsführerin Mariette Rissenbeek, das dem Tagesspiegel vorliegt.
Zu den Hintergründen und zum Einladungs-Procedere heißt es darin: „Mitglieder der AfD wurden in den vergangenen Wahlen in den Bundestag und in das Berliner Abgeordnetenhaus gewählt. Sie sind dementsprechend auch in politischen Kulturausschüssen und anderen Gremien vertreten. Das ist ein Fakt, und den müssen wir als solches akzeptieren.“ Sowohl die Behörde der Kulturstaatsministerin Claudia Roth als auch der Berliner Senat erhielten Einladungskontingente, die an die demokratisch gewählten Mitglieder aller Parteien im Bundestag und im Abgeordnetenhaus vergeben werden. „Vor diesem Hintergrund erfolgte die Einladung der AfD-Vertreter*innen zur Berlinale.“
Die Berlinale nennt die Eingeladenen nicht namentlich. Nach Recherchen des US-Online-Magazins „Deadline“ handelt sich um Kristin Brinker, seit 2021 Landesvorsitzende der Berliner AfD und Fraktionsvorsitzende, und ihren Stellvertreter Ronald Gläser. Die Berlinale hat dies inzwischen bestätigt. Brinker hatte im Sommer 2023 an einem Treffen mit Rechtsextremen teilgenommen, bei dem auch Martin Sellner anwesend war.
Berlinale steht „für demokratische Grundwerte und gegen Rechtsextremismus“
„Wir setzen uns gegen jede Form von Ausgrenzung und Diskriminierung ein und treten konsequent für die Werte einer weltoffenen und liberalen Demokratie ein“, hieß es weiter in dem Statement der Berlinale. „Menschen – auch Mandatsträger -, die diesen grundlegenden Werten zuwiderhandeln, sind auf der Berlinale nicht willkommen.“ Dies werde man deutlich und nachdrücklich in persönlichen Schreiben an die AfD-Vertreter und auch bei anderen Gelegenheiten zum Ausdruck bringen.
Die Berlinale betonte, „für demokratische Grundwerte und gegen Rechtsextremismus“ zu stehen und alle Demonstrationen und andere Initiativen gegen undemokratische Strömungen zu unterstützen. „Wir erteilen rechtsextremem oder rechtspopulistischem Gedankengut eine klare Absage und beobachten mit Sorge, dass Antisemitismus, antimuslimische Ressentiments, Hetze und andere antidemokratische Haltungen in Deutschland auf dem Vormarsch sind.“
Die Aufforderung, die Berlinale solle die Einladung der beiden zurücknehmen, war am Freitagabend in einer Online-Petition veröffentlicht worden, die von mehr als 200 deutschen und internationalen Mitgliedern der Filmindustrie unterzeichnet wurde, unter anderem von Produzent:innen, Festivalkurator:innen, Regisseur:innen. Laut dem Online-Magazin „Deadline“, das zuerst darüber berichtete, gehört auch die Künstlerin Candice Breitz zu den Unterzeichnenden.
Die Petition steht inzwischen nicht mehr online, mehrere US-Branchenmedien zitieren jedoch daraus. Ihnen zufolge wird die Einladung der AfDler als „unvereinbar“ mit der Selbstverpflichtung der Berlinale bezeichnet, ein Ort der „Empathie, des Bewusstseins und der Verständigung“ zu sein, wie das Leitungsduo Rissenbeek und Carlo Chatrian bei der Programm-Pressekonferenz im Januar betont hatten.
Die Einladungen, so der offene Brief, seien ein weiteres Beispiel für das feindselige und heuchlerische Umfeld für Kunst und Kultur in Berlin und Deutschland: „Wir glauben nicht, dass die Eröffnungszeremonie als sicherer Ort für Juden, Frauen, Mitglieder der BIPOC-, LGBTI+-Community, beeinträchtigte Menschen, Roma und Sinti oder Mitglieder der Zeugen Jehovas angesehen werden kann. Menschen, die wie andere auch bereits während einer anderen rechtsextremen, nationalkonservativen Bewegung in Deutschland mit Verfolgung und Völkermord konfrontiert waren.“
Die Berlinale hatte auf ihrem Instagram-Account auch zur Berliner Großdemonstration gegen rechts unter dem Motto „Wir sind die Brandmauer“ am Samstag aufgerufen. Daraufhin forderten mehrere Menschen in Kommentaren ebenfalls eine Rücknahme von Einladungen an die AfD. In der jetzigen Stellungnahme zur Einladung der AfD-Politiker heißt es seitens des Festivals erneut, die Berlinale „unterstütze alle Demonstrationen und andere Initiativen gegen undemokratische Strömungen“ Man beobachte „mit Sorge, dass Antisemitismus, antimuslimische Ressentiments, Hetze und andere antidemokratische Haltungen in Deutschland auf dem Vormarsch sind.“
Die Berlinale zählt neben Cannes und Venedig zu den großen Filmfestivals der Welt. Die 74. Ausgabe findet vom 15. bis 25. Februar statt. Mariette Rissenbeek und Carlo Chatrian präsentieren als scheidendes Leitungsduo zum letzten Mal das Programm. (chp, mit dpa)