Hertha BSC setzt auf Marc Kempf

Tayfun Korkut, der Trainer von Hertha BSC, hatte nach der Verpflichtung von Marc Kempf erst einmal ein mulmiges Gefühl. Das hatte nichts mit der sportlichen Qualität des neuen Innenverteidigers zu tun. Es lag eher an der gemeinsamen Vorgeschichte, die ihn mit Kempf verbindet. Die Erinnerung daran hat Korkut sogar dazu veranlasst, den Neuen erst einmal zum Einzelgespräch zu bitten.

Immerhin: Seine Befürchtung, dass Kempf ihm noch etwas nachtragen könnte, hat sich als unbegründet erwiesen.

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Schon im Sommer 2018, als Kempf vom SC Freiburg zum VfB Stuttgart wechselte, hieß der Trainer seines neuen Vereins Tayfun Korkut. „Er kam aus einer schwierigen Phase“, erinnert sich Korkut. Am Anfang der Saison saß Kempf einmal auf der Ersatzbank, dabei blieb es.

Gespielt hat er unter Korkut nie, nicht zuletzt, weil Korkut schon bald kein Trainer mehr beim VfB war. Aber kurz vor seiner Entlassung bat er Kempf noch einmal zum Gespräch, um ihm mitzuteilen, dass er dessen Entwicklung wohlwollend zur Kenntnis nehme und dass er jetzt ganz nah an der Mannschaft sei. „Das letzte Gespräch war positiv“, erzählt Korkut.

Und trotzdem: An diesem Freitag, wenn Hertha BSC im Olympiastadion den VfL Bochum empfängt (20.30 Uhr, live bei Dazn), wird die Geschichte von Tayfun Korkut und Marc Kempf noch einmal einen ganz neuen Dreh bekommen. Herthas Trainer gibt sich in der Regel ausweichend bis verschlossen, wenn er ganz konkret zu seinen Personalplanungen für ein Spiel befragt wird. Bei Kempf aber, „da mach ich mal eine Ausnahme“, sagt er. „Der wird beginnen.“ An der Seite von Niklas Stark, das erzählt Korkut dann gleich auch noch.

„Er ist da, er wird seinen Mann stehen“, sagt Trainer Korkut

Vier Spieler hat Hertha in der gerade zu Ende gegangenen Winter-Transferperiode verpflichtet, Kempf, 27, ist vermutlich der Einzige, der gegen Bochum gleich in der Startelf stehen wird. „Deswegen haben wir ihn geholt“, sagt Korkut. „Er ist da, er wird seinen Mann stehen und braucht nicht viel Zeit.“

Rund eine halbe Million Euro hat sich Hertha die Verpflichtung des bisherigen Stuttgarters kosten lassen, der im Sommer ablösefrei zu haben gewesen wäre. Das spricht einerseits für die Wertschätzung, die Kempf bei Herthas Verantwortlichen genießt. Andererseits beleuchtet es die Not des Berliner Fußball-Bundesligisten, der sich mal wieder in einen zehrenden Abstiegskampf verstrickt sieht.

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„Er ist ein Spieler, der eine andere Art mitbringt, der über die Zweikämpfe kommt und eine unglaublich gute Mentalität besitzt“, sagt Sportgeschäftsführer Fredi Bobic. In den Planungen für die neue Hertha, die Bobic bauen will, nimmt Kempf daher eine wichtige Rolle ein, aber „er kann uns auch von jetzt auf nachher helfen“.

Soforthilfe ist durchaus willkommen. Denn mit 42 Gegentoren in 20 Spielen stellt Hertha hinter dem Aufsteiger und Tabellenletzten Greuther Fürth (52) die schlechteste Defensive der Liga. Das hat verschiedene Gründe. Einer ist die fehlende personelle Konstanz in der Abwehr.

Stark und Kempf wissen, wie man Titel holt

Korkut und sein Vorgänger Pal Dardai waren im Laufe der Saison immer wieder zu Umstellungen gezwungen. In den 15 Spielen, in denen Hertha mit Viererkette auflief, standen fünf verschiedene Innenverteidigerpärchen auf dem Platz. Niklas Stark und Marc Kempf werden an diesem Freitag das sechste sein.

Vor einer Woche, im Testspiel gegen Lech Posen (2:4), haben beide zum ersten Mal seit dem 30. Juni 2017 wieder zusammen verteidigt. Damals gewannen sie mit der deutschen U-21-Nationalmannschaft das EM-Finale gegen Spanien. Es war bereits ihr zweiter Titel, nachdem sie auch schon 2014 in Ungarn mit der U 19 gemeinsam Europameister geworden waren.

Man kennt sich. Und man schätzt sich. „Ich liebe es, neben ihm zu spielen“, hat Niklas Stark während der U-21-EM vor knapp fünf Jahren über Kempf gesagt. „Ein geiler Kicker. Ein lustiger Typ. Wir sitzen uns beim Essen gegenüber und haben immer unseren Spaß.“ Bei ihren vier gemeinsamen Auftritten in der Innenverteidigung kassierte die deutsche Mannschaft nur ein Gegentor. In Ungarn, bei der U-19-EM, standen Kempf und Stark sogar in allen fünf Begegnungen gemeinsam in der Startelf, in den letzten vier als Innenverteidiger in der Viererkette.

„Ein Vorteil ist es auf jeden Fall“, sagt Tayfun Korkut über die gemeinsame Vergangenheit der beiden Abwehrspieler. „Trotz alledem müssen sie auch wieder reinkommen. Es ist ja nicht so, dass sie jede Woche zusammengespielt haben.“ Und doch ist er überzeugt, dass Kempf und Stark als Duo funktionieren werden. „Wir erhoffen uns einiges für die nächsten Wochen“, sagt Herthas Trainer. Ein mulmiges Gefühl hat er jedenfalls nicht.