Ruhm und Ära

Lange Zeit spielten Auszeichnungen im Pop keine sonderlich große Rolle. Lametta war unwichtig, es kam darauf an, sich nicht korrumpieren zu lassen. Den Orden „Member of the British Empire“, den Elisabeth II. 1965 den Beatles verliehen hatte, schickte John Lennon drei Jahre später an die Königin zurück. Er tat das, um gegen Großbritanniens Beteiligung am Biafra-Krieg und gegen die Unterstützung der USA im Vietnamkrieg zu protestieren, wie Lennon im Begleitschreiben mitteilte – und, fügte er sarkastisch hinzu, „weil mein Song ’Cold Turkey’ die Charts herunterrutscht“.

Wandschmuck verliert Glanz

Ob John Lennon den Orden behalten hätte, wenn „Cold Turkey“ besser gelaufen wäre? Natürlich nicht, aber sein Frust ist nachvollziehbar. Denn Popstars bleiben nur Popstars, wenn sie Hits haben. Das Symbol des Erfolgs ist die Goldene Schallplatte, eine Art funkelnde Umsatzanzeige im Bilderrahmen, die Musikerinnen, Komponisten und Produzentinnen für den Verkauf einer Mindestanzahl von Tonträgern überreicht bekommen. Der Glanz dieses Wandschmucks beginnt zu verblassen, weil Songs inzwischen vor allem über Streamingdienste vertrieben werden. Für den Goldstatus genügen statt 250000 nun 100000 verkaufte Alben in Deutschland, wobei Downloads und Streams in die Rechnung einbezogen werden.

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Wovon Rockmusiker träumen, war früher klar umrissen: einmal ganz vorn zu landen, auf einem Zeitschriftentitel. Dr. Hook haben davon 1972 in ihrem Hit „Cover of the Rolling Stone“ gesungen. Der ohrwurmige, auch ein wenig böse Song brachte die Band ein Jahr später tatsächlich aufs Cover des Musikmagazins, in Form einer Karikatur. Noch schöner ist es, einen Musikpreis zu bekommen, am liebsten den allergrößten und allerwichtigsten, den Grammy. Den Gewinnern ist weltweite Aufmerksamkeit sicher. Dr. Hook haben übrigens nie einen Grammy erhalten sicher.

Phantomschmerz wegen Trophäenmangel

Als deutsche Version des Grammys galt der Echo, der aber anders als das amerikanische Vorbild nicht von einer Jury, sondern nach kommerziellen Kategorien vergeben wurde. 2018 beschlossen die Organisatoren nach Antisemitismusvorwürfen gegen die Gewinner Kollegah und Farid Bang, die Preisverleihung aufzugeben. Seitdem litt die Branche an Phantomschmerzen wegen akutem Trophäenmangel. Damit könnte es nun vorbei sein. Im September soll eine deutsche Akademie für Popmusik gegründet werden, zu deren wichtigsten Aufgaben die Vergabe eines Preises zählen wird, finanziert aus Mitteln der Kulturstaatsministerin.

Unter den Gründungsmitgliedern sind Balbina, Herbert Grönemeyer, Pop-Lobbyist Dieter Gorny, Katja Lucker vom Musicboard Berlin und sogar Schlagersänger Roland Kaiser. Grönemeyer ist der deutsche Künstler mit den meisten Goldenen Schallplatten, er soll 79 besitzen. Der Preis soll allein künstlerische, keine kommerziellen Aspekte würdigen. Ein probateres Vorbild als die Grammys könnte der britische Mercury Price sein, der PJ Harvey, Franz Ferdinand oder zuletzt Michael Kiwanuka Ruhm und Ehre brachte.