Mehrwegverpackung: Schlechter als ihr Ruf?

Ob beim Einkauf vom Lebensmitteln oder beim Online-Shopping, Verpackungsmüll ist allgegenwärtig in unserem täglichen Leben. Seit einigen Jahren besteht bereits ein deutlicher Fokus darauf, die Menge an entstehenden Müll zu reduzieren.

In diesem Zusammenhang erfreuen sich Mehrwegverpackungen einer steigenden Beliebtheit. Jedoch deuten verschiedene Studien darauf hin, dass diese eine schlechtere Umweltbilanz aufweisen als Einwegverpackungen.

Mehrweg-Verpackungen weisen schlechte Umweltbilanz auf

Mehrwegverpackungen werden oft als umweltfreundliche Alternative zur Einwegverpackung beworben. Jedoch verbirgt sich hinter dem vermeintlich geringen ökologischen Fußabdruck oft eine andere Seite. Tatsächlich sind Mehrwegverpackungen nicht so nachhaltig, wie man denken mag. Die Entsorgung, Aufbereitung und Wiederverwendung von Mehrweg-Verpackungsmüll erfordert eine gesamte Industrie. Dabei geht es nicht nur um PET, sondern insbesondere um Glasverpackungen. Letztere haben in den letzten Jahren bei Verbrauchern besondere Beliebheit erlangt. Immerhin muss Glas nicht weggeworfen, sondern ausschließlich wiederaufbereitet werden. Das Problem zeigt sich hierbei vor allem im Gewicht der Verpackung. Glas kann in deutlich geringeren Mengen transportiert werden, was bei längeren Strecken zu einem höheren logistischen Aufwand und zu einem erhöhten CO2-Ausstoß führt.

Papier als potenzieller Gamechanger in der Verpackungsindustrie

Derzeit besteht ein erheblicher Anteil des Verpackungsmüll immer noch aus Kunststoff. Die schädlichen Auswirkungen von Plastik auf die Umwelt sind allgemein bekannt. Eine PET-Flasche benötigt beispielsweise etwa 450 Jahre, um vollständig zu verrotten. Selbst in einer perfekt funktionierenden Recyclingwirtschaft, die in der Praxis äußerst selten anzutreffen ist, ist der Lebenszyklus des Materials nach rund 25 Einsätzen erschöpft. Das bedeutet letztendlich, dass Plastik letztlich auf Müllhalden landet oder verbrannt wird. Recycelbare Papierverpackung hingegen besteht aus erneuerbarem Material. Bevor jedoch weitere potenzielle Vorteile thematisiert werden, ist es wichtig, einen Blick auf den aktuellen Stand der Forschung zu werfen. Neueste Erkenntnisse aus diversen Studien zeigen nämlich, dass Einweg-Verpackungen aus Papier in der Gastronomie umweltfreundlicher sind als Mehrweg-Produkte aus Kunststoff. Dies wird sichtbar, wenn der vollständige Produktlebenszyklus analysiert wird. Insbesondere für wiederverwendbares Plastikgeschirr in Schnellrestaurants wird im Laufe der Zeit viel Energie und Wasser für die Reinigung benötigt.

Bereits in der Produktion nachhaltig

Es darf keineswegs übersehen werden, dass die Papierproduktion, insbesondere in Europa, in der Produktion durchaus nachhaltig ist. Ein Großteil des Holzes stammt nämlich aus nordischen Ländern wie Finnland, wo man großen Wert darauf legt, eine umfassende Kreislaufwirtschaft auf die Beine zu stellen. Die Energie für die Produktion wird häufig aus Restholz gewonnen, während die Wälder selbst aufgeforstet werden müssen, um auch in mittelfristige Zukunft als Papierlieferant konkurrenzfähig zu bleiben. In der Produktion von Verpackungen aus Plastik hingegen gibt es kaum nachhaltige Aspekte. Beginnend mit der Gewinnung von Rohöl über die Herstellung in fernen Ländern bis hin zu den daraus resultierenden langen Transportwegen zeigen sich hier einige kritikwürdige Aspekte. Diese können auch nur selten von Mehrweg-Produkten aufgewogen werden. Es ist jedoch klar, dass Mehrweg-Plastik nachhaltiger als Einweg-Plastik ist. Um tatsächlich effektiv nachhaltig verpacken zu können, kommt man nach neuesten Erkenntnissen der Forschung aber nicht ohne Papier aus.

Warum dann eine Verpackungssteuer?

Seit Anfang 2022 muss in Tübingen für Einweg-Verpackung bezahlt werden. Die sogenannte Wegwerf-Steuer sieht eine Zahlung von 50 Cent pro Einwegbecher oder -schachtel vor. Pro Mahlzeit darf die Abgabe aber nicht über 1,50 Euro liegen. Mit der Steuer soll vor allem der Müllvermeidung der Kampf angesagt werden. Eine Filiale eines McDonald’s-Franchise hat bereits versucht, gegen die Steuerrichtlinie zu klagen. Diese ist aber mittlerweile gescheitert und stellt klar, dass die Änderung zulässig ist. Damit scheint Tübingen einen sehr kurzsichtigen Weg zu gehen. Denn auch wenn Einwegverpackungen mehr Müll erzeugen als Mehrwegverpackungen, sind sie auf den gesamten Produktlebenszyklus gerechnet doch nachhaltiger. Hier scheint man doch etwas im Widerspruch zu stehen. Einerseits wird eine Steuer auf Verpackungen aus Pappe erhoben, um im Sinne der Nachhaltigkeit Müll zu vermeiden. Andererseits treibt man vor allem Take-away-Lokale dazu, sich nach anderen Alternativen für die Verpackung umzusehen. Zu überdenken wäre hier, ob Sammelstellen für recycelbare Papierbehälter nicht deutlich sinnvoller wären. Werden Pappbehälter richtig entsorgt, können die Vorteile aus dem Verpackungsmaterial weiter intensiviert werden. Sinnvoll ist dies in erster Linie natürlich in Städten. Vor allem Take-away-Restaurants tragen wesentlich zur Produktion von Verpackungsabfall bei. Doch diese Betriebe sind ein zentraler Bestandteil der Gastronomie und Arbeitgeber für Millionen von Menschen in ganz Europa geworden, weswegen eine Suche nach sinnvollen Lösungen besser geeignet zu sein scheint als die Erhebung einer Steuer.

Optimieren statt vermeiden: Eine Challenge in der Verpackungsindustrie

Verpackung wird sich niemals ganz vermeiden lassen. Vom Lebensmittel bis zur sensiblen Elektronik müssen Produkte sicher verpackt werden, um vom Endkunden sicher genutzt werden zu können. Daher sollte der Fokus viel stärker auf der Optimierung statt auf der Vermeidung liegen. Denn durch eine geringe Verpackung kann das Produkt beschädigt werden und unbeabsichtigte Konsequenzen hervorrufen. Dies würde weder für die Hersteller, die Verbraucher noch die Umwelt im Gesamtbild sinnvoll sein. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, arbeitet die Verpackungsindustrie an ressourcenschonenden und effektiven Verpackungen.

lic/news.de