Berlinwahl: Wegbiere und Laufen lernen

Es ist immer wieder erstaunlich, wie groß die Diskrepanz ist zwischen der Attraktivität Berlins so gut wie überall auf der Welt und dem Ansehen, das die Stadt und besonders die lokale Politik bei Berlinerinnen und Berlinern genießt.

Eine Posse

Dass die Wahl am Sonntag nun wiederholt wird, weil es im September zu Unregelmäßigkeiten und Stimmzettelengpässen kam, ist allein schon eine Posse. Doch auch der Wahlkampf bewies, wie klein, provinziell und neben der Spur die Berliner Spitzenpolitik doch ist. Im Grunde eben auch: possierlich.

„Berlin kann Wahlen“, wie jetzt allenthalben zu hören war. Und: Man spricht „Berlinerisch – und fließend Klartext“, wie der CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner. Oder forderte „Wegbier für alle“ (Wegnerbier?) und die „Dönerpreisbremse jetzt“, wie die SPD in Kreuzberg-Friedrichshain.

Biere in der U-Bahn trinken geht weiterhin

Das ist an Niedlichkeit kaum zu übertreffen. Icke-Berlinertum trifft auf Berliner Laissez-Faire und vermeintliche Welthaltigkeit. So schnell muss niemand auf sein Bier in der U-Bahn oder der Parkbank verzichten, auch nicht in Reinickendorf oder Köpenick.

Weniger niedlich, sondern verunglückt der Twitter-Spot der Grünen mit ihrer Spitzenkandidatin Bettina Jarasch. Man sieht Jarasch darin eine Minute lang durch die Stadt joggen, natürlich auf dem Weg ins Rote Rathaus: „Wir müssen Berlin zum Laufen bringen und dabei die richtige Richtung einschlagen.“

Das hat die Verkehrssenatorin tatsächlich gemacht: Berlin zum Laufen gebracht. Wer aus Pankow kommt, hat nach wie vor Probleme mit U- oder S-Bahn nach Mitte zu fahren und ist dann gern schon mal zu Fuß unterwegs. Und wer das Fahrrad nimmt, hat Probleme, sich durch die erneut verkehrsberuhigte, dafür mit gerade für den Winter idealen Sitzmöbeln vollgestellte Friedrichstraße zu schlagen. Laufen lernen bitte!

Aus all dem, und nun wird es ungut und tragisch, resultiert eine große Wahlmüdigkeit. Soll man wirklich wieder abstimmen? Oder das tun, womit man schon manchmal bei Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus geliebäugelt hatte: es sein lassen, das Ganze ignorieren? Die Versuchung ist groß – doch auch das Wissen darum, wie fatal so eine Einstellung in einer Demokratie ist. Also ab ins Wahllokal, am besten mit zwei, drei Wegbieren im Mantel – und die Kreuze hoffentlich in der richtigen Richtung und nicht an der falschen Stelle gemacht.

Gerrit Bartels musste im September wie so viele vor seinem Wahllokal Schlange stehen, um seine Stimme abgeben zu können.

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