Im Geldzeitalter: Tiemann-Preis geht ans Museum Folkwang
Das Bild ist eine Zumutung. Eine Anklage à la Otto Dix oder George Grosz: Vier Zocker spielen um Öl, Immobilien und Kriegsgerät. Jeder von ihnen könnte einer jener janusköpfigen Krisengewinnler sein, den schon die neusachlichen Maler in den 1920er Jahren mit ätzender Kritik porträtierten. Bloß dass Armin Boehm, der „Monetozän“ gemalt hat, ein Jahrhundert später lebt und statt der turbulenten Weimarer Republik die Hipster in Prenzlauer Berg um sich hat.
Boehm steht in seinem Atelier und betrachtet das Gemälde, das erst kürzlich aus einer der ihn vertretenden Galerien nach Berlin zurückgekehrt ist. Die nächste Reise bringt es nach Essen ins Museum Folkwang, wo es dann bleibt. Das Haus hat den Tiemann-Preis gewonnen, der vom Berliner Ehepaar Ingeborg und Jürgen Tiemann vergeben wird.
50.000 Euro für den Ankauf von Malerei, um die sich Museen aus Deutschland bewerben können. Eine Jury entscheidet, welche Institution mit ihrer Ankaufsidee überzeugt – und die Wahl zur Premiere der Auszeichnung fiel auf das Folkwang Museum, das sich seinerseits Boehms vor sechs Jahren entstandenes Werk wünschte.
„Heute würde ich so nicht mehr malen“, sagt der Künstler. Dabei zeigt er auf die Umrisse der Figuren, für die er die Farbe im Pinsel jeweils bis zum Rest auf die Leinwand gedrückt hat. Manche Stellen wirken deshalb wie ausgefranst, man sieht körnige Leinwand durch den dünnen Auftrag. Aktuell würde Boehm, Jahrgang 1972 und an der Düsseldorfer Kunstakademie unter anderem bei Jörg Immendorff ausgebildet, aber auch nicht so malen, weil er sich gerade mit anderen Themen beschäftigt: Die Bilder im Atelier sind pastos, leuchten samtgrün bis purpurrot und feiern die mondäne Zeit der Salons. Wobei sich erneut die 1920er Jahre mit Menschen der Gegenwart verweben.
Drei weitere Gemälde Boehms komplettieren den Ankauf und sorgen für einen repräsentativen Eindruck seines Werkes. Es artikuliert nicht immer so scharf, was es vom zivilisatorischen Zustand seiner Umgebung hält. Doch das Unbehagen an den Verwertungsmechanismen von Kapitalismus und sozialen Medien ist subkutan stets spürbar. In Boehms malerischem Universum tragen die Figuren Masken, einige bereichern sich, andere leiden unter dem Druck, dem sie ausgesetzt sind.
Mit seinen „Gesellschaftsallegorien“ greife der Künstler jenes Genre auf, das Künstler wie Grosz oder Dix geprägt hätten, erklärt die Jury. Das passt zum Museum Folkwang mit seinem Schwerpunkt auf Expressionismus und verwandten künstlerischen Positionen bis in die 1930er Jahre. „Apokalypse-Ängste und Nachtgedanken“ prägten die Stimmung von Boehms Bildern „nicht anders als die seiner Vorbilder des letzten Jahrhunderts“. Neben ihnen wird das großformatige „Monetozän“ künftig hängen. Die feierliche Übergabe findet am 3. November statt.