Nachruf auf David Crosby: Harmoniegesänge für alle Freigeister

Freiheit fängt mit Äußerlichkeiten an. An der Frage, ob Haare militärisch kurz am Kragen enden müssen oder wild darüber hinaus sprießen dürfen, entzündete sich in der Zeit der Studentenrevolte ein Kulturkampf und Generationenkonflikt.

Damals stieg David Crosbys trotzige Ballade „Almost Cut My Hair“ zur Hymne der Gegenkultur auf.  Beinahe hätte er sich die Haare schneiden lassen, singt Crosby. Weil er erkältet war und aus Paranoia vor der Polizei, die Langhaarige nicht mochte. Aber dann wurde ihm klar, dass er ein Zeichen setzen musste.

„I feel like letting my freak flag fly“, jubelt Crosby und lässt seine E-Gitarre fauchen und flattern. Die Löwenmähne als Flagge aller Freigeister. Allerdings litt der Sänger längst unter Haarausfall, als er den Song 1970 mit seiner Band Crosby, Stills, Nash & Young für deren zweites Studioalbum „Déjà Vu“ aufnahm. So wurde der schulterlange, immer grauer werdender Resthaarschopf, der seine Halbglatze umschloss, zum Signet eines ewigen Hippies.

Ein Rebell war David Crosby, der 1941 in Los Angeles zur Welt kam, schon als Jugendlicher. Er überwarf sich mit seinen Eltern und Lehrern und flog von der Schule. Die Musik wurde seine Rettung. Bei einer Tour mit dem Soulsänger Terry Callier begegnete er den Beat-Enthusiasten Roger McGuinn und Gene Clark, mit denen er 1964 die Byrds gründete.

Mit ihrem melodiösen Folkrock wurden sie so etwas wie die kalifornischen Beatles, setzten mit ihrer Fassung des Trauer-Traditionals „He Was a Friend of Mine“ dem in Dallas erschossenen Präsidenten John F. Kennedy ein Denkmal und schafften mit ihrer Coverversion von Bob Dylans „Mr. Tambourine Man“ ihren ersten Nummer-1-Hit in den US-Charts.

Ging es bei Dylans „trip upon your magic swirling ship“ noch um Marihuana, kamen bald härtere Substanzen ins Spiel. Der von Crosby mitverfasste Song „Eight Miles High“, entstanden während eines Flugs zu einer England-Tour, verarbeitete LSD-Erfahrungen. Crosby machten die Drogen aggressiv und reizbar, er wurde unzuverlässig, legte sich mit McGuinn an. Deshalb warfen sie ihn 1968 aus der Band.

David Crosby tat sich mit Stephen Stills von Buffalo Springfield zusammen, und als dann noch der aus England ausgewanderte Graham Nash von den Hollies dazustieß, war eine der ersten Supergroups der Rockgeschichte komplett: Crosby, Stills & Nash. Auch Neil Young schloss sich ihnen zeitweilig an.

Gleich ihr zweites Konzert absolvierten Crosby, Stills, Nash & Young im August 1969 beim Woodstock-Festival. „Entscheidend“, schwärmte Crosby später, „war der Moment, wo alle aus dieser Generation von Hippies einander in die Augen schauten und sagten: Wir sind keine Minderheit, es gibt Millionen von uns.“ Die engelsgleichen Harmoniegesänge der Band wurden allenfalls noch von den Beach Boys übertroffen.

„If I Could Only Remember My Name“ heißt Crosbys Solodebütalbum, das er 1971 mit Unterstützung von Joni Mitchell, Carlos Santana und Mitgliedern von Grateful Dead aufnahm. Damals ein Flop, gilt es heute als Meisterwerk eines eigensinnig-surrealen Singer-Songwritertums. Abstürze und Wiederauferstehungen prägten die Karriere des Sängers. Wegen Rauschgiftdelikten verbrachte er fast ein Jahr im Gefängnis, später rettete ihn eine Lebertransplantation das Leben.

Zuletzt war er produktiver denn je, seit 2014 brachte er fünf Alben heraus, genau so viele wie in den vierzig Jahren zuvor. Sie klangen immer meditativer und karger, „For Free“ (2012) entstand zusammen mit seinem Sohn James Raymond.

Am Mittwoch ist David Crosby nach langer schwerer Krankheit gestorben, wie seine Ehefrau mitteilte. Er wurde 81 Jahre alt.

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