Das Grimme-Institut wird 50: In leichter Schieflage

Es ist eine Auszeichnung, auf die die deutsche Medienwelt immer gespannt wartet: Mit dem Grimme-Preis werden jedes Frühjahr die nach Einschätzung der – ganz wichtig – unabhängigen Jurorinnen und Juroren herausragenden Produktionen im deutschen Fernsehen prämiert. Der Grimme-Preis gilt als „Fernseh-Oscar“. Neben dem Grimme-Preis vergibt das Institut mittlerweile auch den Grimme Online Award und den Deutschen Radiopreis.

Angesiedelt im westfälischen Marl

Hinter der Organisation der Auszeichnungen steht das Grimme-Institut im westfälischen Marl, das am 23. September 50 Jahre alt wird. Anteilseigner sind neben dem Deutschen Volkshoch-Verband (DVV) das Land NRW, das 80 Prozent des Etats trägt, der WDR und das ZDF, die Landesmedienanstalt und die Medienstiftung NRW und die Stadt Marl.

Während der im Marler Theater verliehene Grimme-Preis als große Show mit TV-Prominenz daherkommt, ist das Grimme-Institut gewissermaßen das nüchterne Gegenstück. Es ist eine Forschungseinrichtung, die die Entwicklung der Medienwelt beobachtet, analysiert und wissenschaftlich begleitet. Namensgeber ist der SPD-Kulturpolitiker und frühere Erste Generaldirektor des Nordwestdeutschen Rundfunks (NWDR), Adolf Grimme (1889-1963).

Das Grimme-Institut entstand zunächst mit der (pädagogischen) Absicht, den „rechten Umgang mit Rundfunk, Fernsehen, Film und Presse“ zum Gegenstand der politischen Grundbildung zu machen, wie es im Gründungsstatut zu dem vom Deutschen Volkshochschul-Verband (DVV) 1964 gestifteten Grimme-Preis heißt. Als Initiator des Grimme-Instituts wollte der DVV Möglichkeiten ausschöpfen, die Volkshochschulen mit dem Thema Fernsehen zu verknüpfen und Angebote für die Erwachsenenbildung im Umgang mit Medien zu organisieren.

Frauke Gerlach ist seit 2014 die Direktorin des Grimme-Instituts.
Frauke Gerlach ist seit 2014 die Direktorin des Grimme-Instituts.
© dpa/Rolf Vennenbernd

Direktoren wie Hans Jahnke, Lutz Hachmeister, Bernd Gaebler und Uwe Kammann wollten das auch, aber zum Nutzen und zum Ansehen des Instituts wollten sie immer mehr: eine Werkstatt, ein Forschungslabor der Medien, vorrangig des Fernsehens sein. Was sind die Möglichkeiten, was die Unmöglichkeiten, wo liegt die Zukunft eines Mediums, das sich nicht als Zustand, sondern als unfertig, weil stets wandelbar und veränderbar und verbesserbar begreift? So auch der Nukleus des jährlich vergebenen Grimme-Preises: Der Qualität des vergangenen Fernsehjahr verhaftet, die Originalität künftiger Produktionen einfordernd.  

Grimme-Direktorin Frauke Gerlach, die das Institut seit 2014 leitet, beschreibt das Arbeitsfeld des Instituts so: „Unsere Aufgabe ist der konstruktiv-kritische Diskurs über die Qualität der Medien und die damit zusammenhängenden Kommunikationsprozesse, die dem gesellschaftlichen Wandel unterworfen sind.“ Das Grimme-Institut sei damit eine Institution, die „jenseits der schrillen Aufmerksamkeitslogiken der digitalen Mediengesellschaft wertebasiert über die Qualität von Medien reflektiert und Medieninhalte beurteilt“.

Dieser Ansatz hat dem Institut in den 50 Jahren seit seinem Bestehen eine Menge Material zur Beschäftigung geliefert. Denn die Medienwelt in Deutschland hat sich in dieser Zeit grundlegend verändert. Vor allem seit den 1980er Jahren taten sich den Fernsehnutzern ganz neue Welten auf: Das Privatfernsehen wurde zugelassen, Kabel und Satelliten ermöglichten den Empfang einer zuvor unvorstellbaren Zahl an Sendern. Ab den 90er Jahren gewannen das Internet und die Digitalisierung an Bedeutung. Spätestens da etablierte sich das Grimme-Institut als wichtige Stimme, wenn über die Zukunft der Medien diskutiert wurde. Dabei ging es etwa um die Qualität des Fernsehens und die wirtschaftlichen Perspektiven der Branche.

Unsere Aufgabe ist der konstruktiv-kritische Diskurs über die Qualität der Medien

Frauke Gerlach, Grimme-Direktorin

„Die ersten 25 waren vielleicht nicht immer einfach. Die zweiten 25 werden schwerer“, schrieb 1998 zum 25-jährigen Bestehen des Instituts der damalige Direktor der Landesanstalt für Rundfunk NRW (LfR), Norbert Schneider. Mit seinem Blick in die Zukunft der Medienwelt sollte er recht behalten, denn die Digitalisierung lässt inzwischen keinen Stein mehr auf dem anderen. So bieten große US-Konzerne wie Apple, Amazon, Netflix und Disney weltweit eigene Streamingdienste an und sind damit zur bedeutenden Konkurrenz „klassischer“ Fernsehanbieter geworden.

Eine neue Herausforderung ist Künstliche Intelligenz (KI), die nicht nur den Alltag, sondern auch die Medienwelt verändern wird: „Es wird darum gehen, das digitale Zeitalter zu verstehen und zu gestalten. Künftig wird es um die Auswirkungen von KI und ChatGPT gehen und damit um Medieninhalte, die algorithmisch generiert werden“, sagt Gerlach. „Was wir aber wissen ist, dass diese digitalen Instrumente die Unterscheidung von Wahrheit, Lüge und Manipulation noch schwerer machen werden.“

In diesen medial turbulenten Zeiten wurde jüngst sogar das Grimme-Institut selbst Thema – ausgerechnet mit Kritik aus den eigenen Reihen. In einem offenen Brief im November 2022 bemängelte der Verein der Freunde des Adolf-Grimme-Preises, es sei zu wenig aus dem Institut zur Entwicklung und Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu hören.

Dem Grimme-Institut ist es zu wünschen, dass es in diesen bewegten und bewegenden Zeiten nicht nur für das Thema des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu alter Stärke zurückfindet. Direktorin Gerlach kann sich eine weitere Amtszeit vorstellen. Aktuell muss sie Finanzlöcher stopfen, um die 21 Vollzeitstellen halten zu können. Das bindet natürlich Ressourcen und Kräfte, darf das Grimme-Institut aber nicht derart paralysieren, dass die Nabelschau Weitblick, Einblick und Ausblick aufs Mediengeschehen behindert, ja verhindert. Das Institut muss mehr als einmal im Jahr von innen nach außen strahlen.