Sieben Gratis-Tipps zum Manga Day 2022

Manga sind seit einigen Jahren das am stärksten wachsende Segment des deutschsprachigen Buchmarktes, ein Ende des Booms der japanischen Comicserien ist nicht absehbar. Jetzt schicken sich die deutschen Manga-Verlage an, die Popularität ihrer Veröffentlichungen weiter zu steigern: Am 27. August findet zum ersten Mal der „Manga Day“ statt, eine Gemeinschaftsaktion von acht Verlagen und Labels nach dem Vorbild des vor einigen Jahren aus den USA nach Deutschland importierten erfolgreichen Gratis-Comic-Tages.

Mehr als 700 Buchhandlungen in Deutschland und Österreich verschenken an diesem Tag 25 Manga-Titel, die extra für die Aktion gedruckt wurden.

Dass es nun neben dem Gratis-Comic-Tag einen eigenen Manga Day gibt, erklärt Joachim Kaps, Verlagsleiter bei altraverse und Koordinator des Events, so: „Der Gratis-Comic-Tag und seine Hefte mit 32 bis 48 Seiten sind ein für amerikanische Themen optimiertes Format. Eine Manga-Geschichte entfaltet sich aber auf so wenigen Seiten zu wenig, um einen echten Eindruck zu vermitteln. Manga brauchen Platz, um ihre Faszination zu entfalten und das Taschenbuch ist dafür die optimale Form.“ Dem trügen die Manga-Day-Bücher mit ihren 96 bis 128 Seiten Rechnung.

„Zudem sind Manga der treibende Faktor im Comic-Segment im Buchhandel, waren im Gratis-Comic-Tag aber naturgemäß nur mit wenigen Titeln vertreten“, ergänzt Kaps. Nun hätten beide Spielformen des Erzählens in Bildern ihren eigenen Tag. „Sie haben es beide verdient.“

Der erste Manga Day findet nach seinen Angaben in 727 Buchhandlungen und Comic-Shops in Deutschland und Österreich statt. Zudem werden noch einmal knapp 40 Buchhandlungen von Thalia Österreich den Manga Day im Oktober leicht zeitversetzt nachholen. Der Gratis-Comic-Tag hatte Kaps zufolge in diesem Jahr 707 Teilnehmer. „Somit beweisen beide Tage, wie wichtig Comic und Manga heute im Buchhandel sind.“

Die Auflagen aller Titel, die es an dem Tag geben wird, beträgt zusammengerechnet rund 400.000 Taschenbücher. „Diese setzen sie sich aus einem bunt gemischten Querschnitt der aktuellen Kataloge zusammen“, erklärt Kaps. Die Frage, wie viele Bücher pro Fan abgegeben werden, entscheiden am Sonnabend die Händler vor Ort, erklärt Kaps: „Die Händler kennen ihre Kunden am besten und brauchen hier nicht den Rat der Verlage, wie sie den Tag am besten für sich nutzen können.“

Wir stellen eine Auswahl der Titel vor, die es am Sonnabend zu entdecken gibt:

Beastars

Das Cover der Manga-Day-Sonderausgabe von „Beastars“.Foto: Kazé

Legoshi ist ein Schlaks. Unsicher und schüchtern schlürft er über den Schulhof. Dabei strotzt der Wolfsrüde nur so vor Kraft. Aber in der anthropomorphen Tierwelt von „Beastars“ werden Klischees immer wieder auf den Kopf gestellt. Jene Tierwelt besteht aus Fleisch- und Pflanzenfressern, Jäger und Beute sitzen in Legoshis Schule friedlich Seite an Seite. Bis auf dem Schulgelände ein Alpaka gerissen wird und unter den Pflanzenfressern die Angst umgeht. Legoshi will den Fall aufklären – und verliebt sich ausgerechnet in das Zwergkaninchen Haru.

Die preisgekrönte Serie von Zeichnerin Paru Itagaki (19 der 22 Bände sind bisher bei Kazé auf Deutsch erschienen) ist eine Mischung aus Highschool-Thriller und Coming-of-Age-Geschichte. Zeichnerisch überzeugen die Tierdarstellungen, während die vielen graphischen Elemente eher ungewöhnlich sind.

Doch vor allem punktet „Beastars“ durch die sensible Behandlung von Themen wie Identitätssuche und Diskriminierung sowie die Darstellung einer Gesellschaft, die in zwei Klassen zu zerreißen droht. Dafür steht die Konkurrenz von Legoshi und Hirsch Louis: Beide buhlen nicht nur um Haru, sie wollen auch Beastar werden, der beliebteste Schüler. Doch ihre Instinkte kommen ihnen immer wieder in die Quere. Und Louis’ dunkle Vergangenheit beschert der Serie schließlich noch eine überraschende Wendung.

Black Clover

Das Cover der Manga-Day-Sonderausgabe von „Black Clover“.Foto: Tokyopop

So ähnlich wie Harry Potter, nur dass der Held ein leicht dämlicher Ritter ist – so hat mal ein britischer Rezensent „Black Clover“ beschrieben. Asta, der Protagonist dieser Mangaserie, hat es in der Tat nicht leicht, denn nicht nur steht er als armes Waisenkind ziemlich weit unten in der Hierarchie seiner magischen Welt – er ist offenbar auch die einzige darin lebende Person, der jegliche Fähigkeit zum Zaubern abgeht.

Das fällt erst recht auf, da sein bester Freund Yuno der talentierteste Jungmagier von allen zu sein scheint. Aber wer denkt, dass Asta deswegen aufgibt, kennt dessen Durchhaltewillen noch nicht. Im Gegenteil: Asta will König der Magier werden, koste es, was es wolle. Auf dem Weg dorthin trifft er eine ganze Reihe skurriler Weggefährt*innen, die ebenfalls nicht ganz ins Raster ihrer Welt zu passen scheinen, sich aber ebenso wenig unterkriegen lassen wollen.

Zeichnerisch sieht man der Serie an, dass hier mit Autor Yuki Tabata ein Mangaka am Werk war, der über viel Talent und Erfahrung verfügt. Besonders punkten kann die Serie in ihren eindrucksvollen Kampfszenen, die dank ihrem Detailreichtum ein hohes Maß an Tempo und Spannung entfalten.

In Japan umfasst „Black Clover“ inzwischen 32 Bände und gehört mit mehr als 17 Millionen verkauften Exemplaren zu den aktuell meistgelesenen Manga Japans. Durch ihr ausgefeiltes Charakterdesign, die abwechslungsreiche Storyline und den rabenschwarzen Humor erinnert sie an Serien wie „Naruto“, „Fairy Tail“ oder den Klassiker „Dragonball“.

Bungo Stray Dogs

Das Cover der Manga-Day-Sonderausgabe von „Bungo Stray Dogs“.Foto: Egmont Manga

In Japan ist die Begeisterung für das stetig wachsende Medienuniversum rund um die Manga-Serie „Bungo Stray Dogs“ (Egmont Manga, bislang 22 Bände, je zwischen 164 und 196 S., 7,50 €) von Autor Kafka Asagiri ungebrochen. Anfang 2023 soll bereits die vierte Staffel der erfolgreichen Anime-Reihe erscheinen. Es existieren mehrere Filme, eine Romanserie sowie Theaterstücke und erst im Januar dieses Jahres erschien ein Realfilm. Der Manga selbst umfasst 22 Bände und ist noch nicht abgeschlossen.

Die Faszination der Fans resultiert aus der spannenden Idee des Autors, berühmte japanische Schriftsteller zu Action-Helden in exzentrischen, den Stil vergangener Epochen aufnehmender Outfits zu machen, deren übernatürliche Fähigkeiten ebenfalls durch Werke ebendieser Autoren inspiriert sind. So kann etwa einer der Hauptprotagonisten, Selbstmordfanatiker Osamu Dazai vom „Büro der wehrhaften Detektive“, mit seiner Kraft „Unmenschlich“ sämtliche Gaben anderer wirkungslos machen.

Er trifft bei der Bearbeitung eines Falls auf Atsushi Nakajima. Der Waisenjunge wird angeblich von einem riesigen weißen Tiger gejagt, den Dazai unschädlich machen soll. Auch er ist kein normaler Mensch, wie sein Name schon impliziert, der von einem berühmten Zeitgenossen des Dichters Dazai stammt.

Die turbulente Story integriert so ideenreich prominente Persönlichkeiten und deren Werk und wird von Zeichner Sango Harukawa in ein sehr dynamisches, dichtes und kontrastreiches Artwork mit im wahrsten Sinne des Wortes vielen Ecken und Kanten gekleidet.

Hierzulande sind viele der japanischen Schriftstellergrößen weniger bekannt und der Einstieg mit der Vorstellung der zahlreichen Figuren etwas zäh. Trotzdem sollten nicht nur Fans der japanischen Literatur auch über die Leseprobe, die am Manga Day zu haben sein wird, hinaus in die unterhaltsame Mystery-Reihe reinlesen.

Kitaro

Das Cover der Manga-Day-Sonderausgabe von „Kitaro“.Foto: Reprodukt

Er hat das Aussehen eines Schuljungen und wirkt mit seiner lakonischen Art wie ein verträumtes Kind. Doch wenn immer ein böser Geist bekämpft oder ein Fluch gebrochen werden muss, kommen die übermenschlichen Kräfte von Kitaro zum Vorschein. Dass der eigentlich herzensgute Kerl zu brachialen Methoden neigt, mag neue Leserinnen und Leser dieser Comedy-Horror-Mangaserie aus den 1960er Jahren irritieren .

Doch die verrückten Welten, in denen Kitaro sich bewegt, erfordern ungewöhnliche Methoden – und die sind dank origineller Wendungen, ambivalenter Figuren, salopper Dialoge und meisterhafter Zeichnungen fürs Publikum höchst unterhaltsam. Kitaro ist halb Geist und halb Mensch und agiert als Mittler zwischen beiden Welten.

Mangaka Shigeru Mizuki (1922-2015) ließ sich für seine Reihe, die in Japan Kultstatus hat, von Papiertheater-Märchen und traditionellen Geschichten über Dämonen, Hexen und andere Geistergestalten inspirieren. Seine mit klaren Linien zu Papier gebrachten Figuren haben einen leicht karikierenden, gelegentlich grotesken Look. Das kontrastiert mit hyperrealistischen, vor Details strotzenden Hintergründen, die fantastische Welten lebendig werden lassen.

Zum ersten Mal erscheinen jetzt alle neun Sammelbände des mehrfach verfilmten Genre-Klassikers auf Deutsch, soeben ist der siebte bei Reprodukt veröffentlicht worden.

My Home Hero

Das Cover der Manga-Day-Sonderausgabe von „My Home Hero“.Foto: Manga Cult

Mit Mord und Totschlag kennt er sich aus, auch wenn er nur ein unscheinbarer Mitarbeiter einer Spielzeugfirma ist. Denn in seiner Freizeit schreibt der 47-jährige Tetsuo Online-Kriminalromane. Als er eines Tages unerwartet in die Machenschaften einer kriminellen Bande verwickelt wird, die seine Tochter im Visier haben, und kurz darauf das erste Blut fließt, zahlt sich sein theoretisches Wissen aus.

In klaren, realistischen Schwarz-Weiß-Bildern hat der Zeichner Masashi Asaki eine Story von Naoki Yamakawa umgesetzt, die davon handelt, wie das Leben einer bislang unbescholtenen Familie außer Kontrolle gerät – und wie die Betroffenen versuchen, diese mit aller Kraft wiederzuerlangen. Asakis aufgeräumte Bildsprache vermittelt ein Gefühl von Ordnung und damit einen bemerkenswerten Kontrast zur zunehmenden Eskalation der Situation.

Dem Gang der Dinge versucht sich Tetsuo mit fast wissenschaftlicher Präzision entgegenzustellen, was durch an Sachbücher erinnernde Passagen illustriert wird, in denen unter anderem erklärt wird, wie man eine Leiche spurlos beseitigen kann. Das gibt der Story, von der bislang drei Bände auf Deutsch vorliegen, einen makabren Grundton.

Dank vieler kleiner Cliffhanger und im Verlauf der Geschichte zunehmend komplex gestalteter Figuren ist sie aber vor allem ziemlich spannend und stellenweise sogar witzig – wenn auch eher für Leserinnen und Leser mit abgebrühtem Humor.

Colette beschließt zu sterben

Das Cover der Manga-Day-Sonderausgabe von „Colette beschließt zu sterben“.Foto: altraverse

Als einzige Ärztin in einem mittelalterlich anmutenden Fantasy-Dorf ist Colette rund um die Uhr beschäftigt. Irgendwann fühlt sie sich so überarbeitet, dass sie in einen Brunnen springt, um sich im Jenseits endlich ausruhen zu können. Anstatt zu sterben, landet Colette allerdings nur vorübergehend in der Unterwelt und wird prompt zu König Hades’ Leibärztin ernannt. Der Herrscher über die Toten leidet nämlich an einer mysteriösen fiebrigen Hautkrankheit. Nach und nach entwickeln die Menschenfrau und der unsterbliche Gott romantische Gefühle füreinander.

Die Mangazeichnerin Alto Yukimura erzählt die morbide Romanze in zuckersüßem Zeichenstil, der zuweilen etwas schematisch daherkommt. Statt einer detailreich gezeichneten Außenwelt rücken nuanciert dargestellte Gesichtsausdrücke vor allem das Innenleben der Protagonistin in den Fokus.

Beim Charakterdesign bedient sich Yukimura reichlich in der Klischeekiste: So kümmert sich die kindliche, großäugige Protagonistin aufopferungsvoll um alles und jeden in ihrer Umgebung. Der kantig gezeichnete, überaus attraktive Held zeigt sich dagegen schweigsam und unnahbar, hat aber natürlich eine weiche Seite unter der harten Schale.

So wenig diese Rollenverteilung auch zu überraschen vermag, lockert der schräge Humor des Fantasy-Manga doch immer wieder die Atmosphäre auf, wenn es allzu schmalzig zu werden droht. Ursprünglich erschien „Colette beschließt zu sterben“ im japanischen Shojo-Magazin „Hana to Yume“, zwischen 2013 und 2020 wurde der Manga dann in Japan in insgesamt 20 Taschenbuchbänden veröffentlicht. Seit April diesen Jahres bringt altraverse die Serie in deutscher Übersetzung heraus.

Love & Fortune

Das Cover der Manga-Day-Sonderausgabe von „Love & Fortune“.Foto: Haybabusa / Carlsen

Die siebenbändige Liebesgeschichte „Love & Fortune“ (Hayabusa/Carlsen, bislang 6 Bände, je zw. 192 und 208 S., 8 €) erzählt von einer frustrierten Frau Anfang dreißig, die unter dem Druck der Gesellschaft sowie einer lieblosen Partnerschaft leidet und fragwürdige Erlösung in der Beziehung zu einem 15-Jährigen sucht, der ihre Leidenschaft für Filme teilt. Der unangenehme Beigeschmack der realitätsfernen Liaison erhält durch den lässig-niedlichen Zeichenstil und der jugendlichen Alterslosigkeit der Charaktere eine noch delikatere Note.

Im Vergleich zu anderen Manga-Romanzen mit großem Altersunterschied widmet sich die japanische Zeichnerin Akira Nitta neben dem Offensichtlichen auch vielen feinen Nuancen. Trotz der Liebe und Zustimmung des minderjährigen Toyboys wird klar, dass in den Verantwortungsbereich der so unsicheren wie unreifen Protagonistin Wako Missbrauch und Abhängigkeit hineinspielen.

Zugleich erfährt das kritische Publikum, dass im patriarchal geprägten Japan eine unverheiratete, bis auf einen Teilzeitjob arbeitslose Frau in ihren Dreißigern eine schier erdrückende Last aus Vorurteilen und enttäuschten Erwartungen zu schultern hat.

2018 wurde das provokante Melodrama in Japan in eine Real-TV-Serie umgesetzt, die aktuell mit deutschen Untertiteln auf Netflix gestreamt werden kann. In bewegten Bildern erreicht die Erzählung eine noch größere Intensität. Kleine, symbolhafte Details wie Wakos kindliche Begeisterung für das kurzfristige Glück aus Kapselautomaten bekommen hier mehr Gewicht.

Mehr Informationen und alle teilnehmenden Läden unter mangaday.de