Der Deutschen liebster Biograf: Rüdiger Safranski wird 80 Jahre alt
In den zehn Jahren, die seit seinem 70. Geburtstag vergangen sind, hat er sein Geschäft als erfolgreichster geistesgeschichtlicher Biograf der Republik mit eiserner Disziplin vorangetrieben. Zum großen, vom Coronavirus weitgehend erstickten Hölderlin-Jahr 2020 hat Rüdiger Safranski die Lebensgeschichte des zerrissenen Dichters aufgeblättert und sein Augenmerk dabei auch auf das denkerische Umfeld rund um Hegel und Schelling gerichtet. Und zum gerade abgelaufenen, sehr viel opulenter ausgefallenen Kafka-Jahr, hat er das Porträt eines vom Schreiben Besessenen geliefert, das sich in der Schwemme der Kafka-Titel mit rund 20.000 Exemplaren so gut wie kein zweites verkauft hat.
Safranskis Bücher sind selten originell, aber bildungsbürgerliche Markenware im besten Sinne: zuverlässig in der Sache und angenehm im erzählerischen Fluss. Das kann man auch von seinen beiden anderen, eher philosophischen Essays behaupten, über das Phänomen der Zeiterfahrung und das „Einzeln sein“, einem Panorama individualistischer Positionen von Michel de Montaigne bis zu Ernst Jünger.
„Jeder ist ein Einzelner“, schrieb er darin im Kapitel über die Renaissance, „aber nicht jeder damit einverstanden und bereit, etwas daraus zu machen.“ Das ist sicher auch eine Auskunft in eigener Angelegenheit. Denn Rüdiger Safranski hat sich in mehreren Interviews als ein Konservativer profiliert, vor dem der einstige Kurzzeit-Maoist schreiend davongelaufen wäre.
Im Ton seiner politischen Einlassungen vergriff er sich selten
Von außen lässt sich schwer beurteilen, ob tatsächlich erst die Flüchtlingskrise des Jahres 2015 einen Sinneswandel einleitete. Jedenfalls hat er, unter anderem in einem großen Gespräch mit René Scheu von der „Neuen Zürcher Zeitung“, Angela Merkels Einwanderungspolitik kritisiert, Angst vor dem politischen Islam bekundet und einen politischen Realismus eingeklagt, der im sozialdemokratisierten Mainstream verloren gegangen sei.
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Wo da die Stimme einer Vernunft sprach, die mit Friedrich Merz behaupten könnte, in die Mitte der Gesellschaft zurückgekehrt zu sein, wo der Renegat mit seinen jugendlichen Irrungen ins Gericht ging, und wo der Provokateur ausgerechnet die Debatte um „Finis Germaniae“, ein postumes Werk des reaktionären Historikers Rolf Peter Sieferle, als hysterisch bezeichnen musste – man wird es nie ganz trennen können. Immerhin vergriff er sich im Ton seiner Einlassungen nur manchmal – etwa mit dem Begriff der „Ausländerflut“.
Öffentlich machte er sich auch nie gemein mit agitierteren Seelen wie dem rechtsnationalen Historiker Karlheinz Weißmann, der Publizistin Vera Lengsfeld, Dieter Stein, dem Chefredakteur der „Jungen Freiheit“, oder Alexander Gauland, dem heutigen Ehrenvorsitzenden der AfD. Mit ihnen allen und vielen anderen soll er, wie die „Zeit“ berichtete, über Jahre einem Gesprächskreis angehört haben, der gegen das linksintellektuelle Grundklima seiner Zeit aufbegehrte.
Anders als vielen Protagonisten der Neuen Rechten wird man ihm zumindest schwer vorwerfen könne, Kreide gefressen zu haben. Was Rüdiger Safranski gesagt hat, hat er anscheinend ohne taktische Rücksichten gesagt. Er ist auch öffentlich satisfaktionsfähig geblieben, weil er strikt auf der Unterscheidung zwischen einem gebildeten Konservatismus und einem kläffenden Rechtspopulismus beharrte.
Über viele Jahre war das auch fernsehtauglich. Von 2002 bis 2012 bestritt er zusammen mit Peter Sloterdijk im ZDF das „Philosophische Quartett“. Anschließend diskutierte er an der Seite von Elke Heidenreich und Hildegard Keller im „Literaturclub“ des Schweizer Fernsehens zwei Jahre über belletristische Neuerscheinungen.