Rias Kammerchor: Das ist die Krönung
Ist eine Krönungszeremonie ohne Musik vorstellbar? Kaum, denn zu sehr sind weltweit monarchischer Glanz und Musik miteinander verbunden. Am Dienstag laden der RIAS-Kammerchor und die Akademie für Alte Musik mit Werken von William Croft bis Georg Friedrich Händel zu einem Streifzug durch ein Jahrhundert britischer Chormusik im Zeichen der Krone ein.
Im großen, gut gefüllten Saal des Konzerthauses wird ein warmer, opulenter Schönklang erzeugt, der royalen Assoziationen sehr entgegenkommt. Um wirklich mitreißend zu sein, fehlt es dagegen an rhythmischer und sprachlicher Plastizität. Durch Justin Doyles gestisch sehr weiches Dirigat fließt die Musik dahin, ohne sich körperlich ins Publikum zu übertragen; die Textverständlichkeit bleibt oft auf der Strecke, vor allem bei den filigraneren Werken wie Purcells „I was glad“, geschrieben 1685 zur Krönung James II., oder Orlando Gibbons’ achtstimmigem „O clap your Hands“ von 1622.
Höhepunkt sind Händels „Coronation Anthems“
Nach der Pause ändert sich dieser Eindruck mit Händels „Laudate pueri Dominum“, komponiert 1707 in Rom für eine Marienvesper. Die Diktion des Chores gewinnt an Schärfe, es kommt Leben in den Gesang. Die Sopranistin Aoife Miskelly singt die Solopartie der virtuosen Psalmvertonung mit sichtlicher Freude. Allerdings lässt die Stimme Resonanz vermissen, und durch Miskellys durchweg abgedunkelte Vokalfärbung wirken Händels halsbrecherische Koloraturen unscharf.
Den Höhepunkt des Programms bilden die vier „Coronation Anthems“, die Händel 1727 zur musikalischen Umrahmung der Krönung von Georg II. schrieb. Händel, damals gerade britischer Bürger geworden, schuf damit seine erste „patriotische“ Komposition, was seine Popularität noch steigerte. Die erste der Anthems, „Zadok the Priest“ erklingt seitdem bei jeder britischen Krönungszeremonie.
Bei allem Jubel geht es hier immer auch um die Frage der Beziehung von Macht und Gerechtigkeit. Im zweiten Werk der Gruppe, „Let thy hand be strengthened“, arbeitet der Chor den – in Moll vertonten – Wunsch nach königlicher „Gnade, Urteilskraft, Barmherzigkeit, und Wahrheit“, eindringlich heraus. Dank Händels Meisterschaft in der Erzeugung musikalischer Dramatik wächst die Musik über ihren ursprünglichen Huldigungszweck hinaus und wird auch dann noch erklingen, wenn ihre königlichen Auftraggeber vergessen sind.
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