Einmal ist keinmal: Vom Glück des mehrfachen Ausstellungsbesuchs
Als Journalistin im Kunstbetrieb besuche ich Ausstellungen meist zur Eröffnung oder schon davor. Ich sehe mir alles an, bilde mir eine Meinung. Oft nehme ich mir vor, noch mal wiederzukommen, mit mehr Ruhe, und meist schaffe ich es dann doch nicht.
Seit Corona sind Ausstellungen oft länger als die üblichen drei Monate angesetzt. Die Corona-Lockdowns haben gezeigt, dass längere Ausstellungszyklen Vorteile haben. Nachhaltiger sind sie ohnehin. Der Trend geht zum Wiederbesuch – behaupte ich jetzt mal, zumindest wäre es schön.
700 Platten schafft keiner – und das macht auch nichts
Bei der Schallplattenausstellung „Broken Music“ im Hamburger Bahnhof, die im Dezember begann, bedürfte es schon einer sehr robusten Konstitution, wollte man auch nur annähernd alle 700 ausgestellten Künstlerplatten wahrnehmen. Ich behaupte, es ist unmöglich. Natürlich ist es auch nicht notwendig. Mut zur Lücke ist beim Ausstellungsbesuch immer ratsam.
Birgit Rieger ist Kunstredakteurin des Tagesspegels und lässt sich gerne von der Kunst kreuz und quer durch die Stadt führen.
Würde man allerdings zugunsten der tollen Platten die Soundinstallationen links liegen lassen, wäre es auch ein Jammer. Ich habe es dieses Mal geschafft, zurückzukehren, und mir beim Zweitbesuch nur die Soundskulpturen vorgenommen. Hans Peter Kuhn hat für Ursula Blocks Schallplattenladen „gelbe Musik“ 1998 eine gelbe Lichtinstallation und einen gelben Sound kreiert.
Genial ist auch Christina Kubischs Installation aus zwölf sich drehenden und leuchtenden Schleifscheiben. Douglas Gordon hat sich gefilmt, wie er auf dem Teppich liegt und Lou Reed & The Velvet Underground hört. Man findet sich in derselben Lage wieder, mit Kopfhörern seinem Gesumme lauschend. Solche Rückkopplungen für Hirn und Ohr sind vielfach zu erleben.
Traurig aktuell ist Susan Philipsz’ Soundinstallation „War Damaged Musical Instruments (Shellac)“ von 2015. Philipsz filtert historische Erfahrungen mittels Sound. Aus sechs großen hängenden Lautsprechern erklingen Töne, die eine Melodie ergeben, ein militärisches Signal, das Truppen einst das Ende von Kampfhandlungen ankündigte.
Philipsz ließ die Melodie von im Ersten und Zweiten Weltkrieg und im Krimkrieg der 1850er Jahre versehrten Instrumenten einspielen. Und selbst wenn Klarinette, Tuba und Horn teils nur hauchen, sind sie laut genug für eine deutliche Botschaft.
Die Kolumne „Riegers Runde“ mit Inspirationen und Beobachtungen aus Berlins Kunstszene erscheint immer mittwochs.
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