Die neue „Weltbühne“: Pazifismus, Freiheit, saftiges Leben

Holger Friedrich, der Verleger der „Berliner Zeitung“, hat ein neues Projekt. Er lässt „Die Weltbühne“ wieder auferstehen, die 1905 von Siegfried Jacobsohn gegründete „Wochenschrift für Politik, Kultur und Wirtschaft“, die wiederum in den späten zwanziger Jahren nach Jacobsohns Tod Kurt Tucholsky und schließlich Carl von Ossietzky weiterführten, bis zu ihrem Verbot durch die Nationalsozialisten 1933.

Viermal sei die „Weltbühne“ verboten worden, schreibt Daniela Dahn in der ersten Ausgabe nun aus Friedrichs Berliner Verlag, „eigentlich fünfmal“. Tatsächlich ist die weit über 100 Jahre währende Geschichte der Zeitschrift eine turbulente. Sie wurde im Exil einige Jahre von Wien und Prag aus veröffentlicht, unter dem Namen „Neue Weltbühne“, dann nach 1946 in der DDR neu gegründet, war nach der Wende zwischenzeitlich im Besitz des Aufbau-Verlegers Bernd F. Lunkewitz, über den jetzt auch der Verkauf der Rechte gelaufen sein soll.

„Blättchen“ und „Ossietzky“

Auch in den späten neunziger Jahren gab es zwei Versuche, sie wiederzubeleben, die beide aber wegen juristischer Auseinandersetzungen nicht zuletzt wegen der Namensrechte zu anderen Organen führten: zum einen dem „Blättchen“, das in Berlin erscheint, und „Ossietzky“ mit Sitz in Hannover, wo wiederum Daniela Dahn zu den Herausgeberinnen zählt.

Für alles andere als schlanke 11 Euro im alten Look: Cover der ersten Ausgabe der neuen „Weltbühne“.

© Berliner Verlag

Herausgeber dieser von Friedrich finanzierten „Weltbühne“ sind zum einen der Journalist und Autor Thomas Fasbender, der sich zuletzt als Putin-Biograf und mit Kolumnen für den russischen Propagandasender RT hervorgetan hat und seit 2024 bei der „Berliner Zeitung“ arbeitet. Zum anderen der 1977 in Teheran geborene Schriftsteller Behzad Karim Khani, den man als Autor kennen könnte von Romanen wie „Hund, Wolf, Schakal“ und „Als wir Schwäne waren“, ebenfalls Autor von Friedrichs Zeitung.

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Karim Khani hat auf Deutschlandfunk Kultur davon gesprochen, mit dieser „Weltbühne“ „unberechenbar“ sein und „über Deutschland“ hinauszublicken zu wollen. Auf der Aufschlagseite der ersten Ausgabe heißt der Plan und die Selbstbeschreibung für „heute und in Zukunft“: „Stachel im Fleisch eines verspießerten Zeitgeists, der in Rüstungsmilliarden rechnet und die Jahre bis zum nächsten Krieg zählt.“ Pazifismus und Antimilitarismus hat man sich auf die Fahnen geschrieben, da sprechen die Herausgeber in ihrem Vorwort mit dem Verweis auf Tucholskys „Soldaten sind Mörder“ davon, die neue „Weltbühne“ kämpfe „mit der Freiheit gegen den Krieg.“

Unberechenbar? Weit über Deutschland hinaus?

Unberechenbar mögen die Themen sein in dieser ersten Ausgabe der „Weltbühne“, aber schon auch sehr deutsch. „Die Deutsche Lebenslüge“ heißt der längste Text der Ausgabe, mit dem Deborah Feldman versucht, den Fall von Fabian Wolff mit dem des Chefredakteurs der „Jüdischen Allgemeinen“ Philipp Peyman Engel abzugleichen, dessen jüdische Großeltern im Iran zur Bahai-Religion konvertierten und der in seiner Autobiografie angeblich „auffällig um das Fehlen der Anzeichen seiner Jüdischkeit in den ersten fast zwei Jahrzehnten seines Lebens herumgeschrieben“ habe.

In weiteren Beiträgen geht es um ein „Zukunftszentrum für Deutsche Einheit und Europäische Transformation“ in Halle (Autor: Marko Dematowsky), den Untergang des Westens (Daniel-Pascal Zorn) und das menschliche Sperma als „eine der gefährlichsten Substanzen, denen sich eine Frau aussetzen kann.“ (Anne Waak)

Ein richtig gehender Gründungsakt aber scheint ein Abend im Deutschen Design Museum gewesen zu sein, wo im Rahmen der Rafael-Horzon-Schau und Horzons „Manifest der Neuen Wirklichkeit“ vier weitere Manifeste vorgestellt wurden. Thomas Fasbender schreibt dazu, genauso sein Herausgeberkollege. Beide haben sich sichtlich unwohl gefühlt: zu viel Ironie und Selbstironie, zu viel Pop und Mitte, zu wenig „saftiges Leben in einer Umbruchsphase“, wie es sich Fasbender ersehnt.

Behzad Karim Khani beklagt, dass „kein finsterer Gesell mit Revoluzzergedanken, anarchischem Blick und Revolver im Gürtel durch Horzons Designsammlung“ gegangen sei, verrät aber auch, das eine Autorin für die „Weltbühne“ wegen Fasbender abgesprungen sei („Ist das nicht ein Rechter?“), um diesen am Ende als „Anarchisten“ zu bezeichnen. Da haben sich zwei gefunden und anscheinend lieb.

Am Ende erklärt der Philosoph und „Berliner-Zeitung“-Kolumnist Michael Andrick, der gern auch für das rechtspopulistische Online-Portal „Nius“ zur Feder greift, dass und warum Deutschland „schon lange von Feinden der Freiheit regiert“ werde. Mit einer Auflage von 25.000 geht die neue „Weltbühne“ jetzt an den Start, elf Euro kostet das schmale Heftchen, das monatlich jeden dritten Dienstag erscheinen soll. Digital allerdings lässt es sich nur im Jahresabo erwerben. Die nächste Ausgabe erscheint am 17. Juni.