Nach dem Trainerbeben beim 1. FC Union: „Ich weiß nicht, ob wir das wiederholen können“
Alle politischen Karrieren, so heißt es oft, enden irgendwann im Scheitern. Das gilt bekanntlich auch für Fußballtrainer, und als der Präsident des 1. FC Union sich am Mittwoch vor die Kameras stellte, wirkte das alles ein bisschen wie eine Kleinversion dieser epochalen politischen Momente, die lange vorhersehbar und trotzdem nicht vorstellbar sind. Dennoch ist es nun Realität: Die Ära Urs Fischer in Berlin-Köpenick ist zu Ende.
Der Fußball-Journalismus neigt gern zur Übertreibung. Aber immerhin trugen Dirk Zingler und Kommunikationschef Christian Arbeit dem Anlass angemessen am Mittwoch im Pressekonferenzraum schwarz. „Ich kann verstehen, dass die Menschen schockiert und traurig sind”, sagte Zingler. „Wenn ich ehrlich bin, hatte ich immer ein bisschen Angst vor diesem Tag. Jetzt ist er da, ein bisschen früher, als wir alle gewünscht haben.“
Dass Urs Fischer irgendwann nicht mehr Cheftrainer beim 1. FC Union sein würde, war allen klar, und zwar schon bevor die Mannschaft in diesem Herbst reihenweise katastrophalen Leistungen ablieferte. Wie Zingler nun zugab, hatten er und Fischer schon einen festen Termin für die Trennung verabredet. Dieser wurde nun vorgezogen, und zwar nach einem „emotionalen Gespräch“ am Montag.
„Urs Fischer ist nicht zurückgetreten, Urs Fischer ist auch nicht entlassen worden“, sagte Zingler. Im gleichen Atemzug erklärte er aber auch, dass er Fischer solange unterstützen wollte, wie der Trainer sich selbst für den Richtigen hielt. Am Ende war es also doch Fischer, der den Zeitpunkt der Trennung bestimmt hatte.
Und auch, wenn das keiner in Köpenick so richtig wahrhaben wollte: in den vergangen Wochen ist Fischers Abgang zunehmend alternativlos geworden. Die Tugenden, mit denen er Union erstmals in die Bundesliga und dann in die Champions League geführt hatte, waren der Mannschaft abhanden gekommen. Und immer mehr sah es danach aus, als ob auch der Erfolgstrainer nicht mehr helfen könne.
Auch Oliver Ruhnert hat Anteil an Unions Krise
Dennoch muss der Verein wohl auch deutlich mehr hinterfragen, als nur die Personalie Fischer. Denn er war nicht exklusiv für den Erfolg zuständig, genauso wenig wie er alleine für das Scheitern verantwortlich ist. Auch hinter der Arbeit des sonst so zuverlässigen Kaderplaners Oliver Ruhnert steht nun ein Fragezeichen. Von der Balance zwischen Stabilität und Erneuerung, die er sonst immer gemeistert hatte, ist in dieser Saison nichts mehr zu spüren.
Das hatte natürlich auch mit Pech zu tun. Dass Führungsspieler wie Robin Knoche und Rani Khedira in der so wichtigen Anfangsphase der Saison verletzt fehlten, hat bei der Integration der Neuen sicherlich nicht geholfen. Dennoch wirkt der Kader bei allem Kampfgeist und aller Qualität immer noch ein wenig unausgewogen.
Insofern ist dies auch ein entscheidender Wendepunkt in der Geschichte dieses Fußballvereins. Die wirtschaftliche Stabilität, die sich Union im vergangenen Jahrzehnt aufgebaut hat, ist zwar nicht in Gefahr. Doch das Erfolgsmodell der letzten fünf Jahren hat tiefe Risse bekommen. Das musste auch Zingler zugeben. „Wir haben alle eine wahnsinnige Zeit erlebt. Nun endet sie”, sagte er.
Die goldenen Zwanziger sind also vorbei. Jetzt heißt es: Abstiegskampf und Trainersuche. Als Interimslösung wird der bisherige U-19-Coach Marco Grote die Mannschaft leiten, unterstützt von seiner Co-Trainerin Marie-Louise Eta und dem bisherigen Assistenten Fischers, Sebastian Bönig. Es geht, wie Zingler nochmal betonte, um nichts weniger als den Klassenerhalt.
Das traut der Präsident seinen Spielern immer noch ausdrücklich zu, auch wenn er andeutete, dass im Winter durchaus personelle Veränderungen im Kader erfolgen könnten. Doch auch, wenn Union die Klasse hält, steht der Verein womöglich vor einer deutlich schwierigeren Zeit in den kommenden Jahren. Die Höhenflieger unter Fischer sind böse abtgestürzt. „Ich weiß nicht, ob wir das nochmal wiederholen können”, sagte Zingler.