Im Laurel Canyon von Brandenburg
Da ist Corona aufgrund der niedrigen Fallzahlen gerade mal ein wenig in den Hintergrund gerückt und Mieke Miami hätte vor ein paar Tagen endlich mal wieder ein Konzert geben können – und dann sowas: Dauerregen.
Die Musikerin wollte ihr neues Album mit dem Titel „Montecarlo Magic“ draußen im Hof des Kreuzberger Clubs Gretchen präsentieren – weil Draußen eben doch noch besser ist als Drinnen – doch die Veranstaltung fiel buchstäblich ins Wasser.
„Ich hätte die neuen Songs schon gerne mal vor Publikum gespielt“, sagt die Mieke Miami einen Tag nach dem ausgefallenen Gig in einem italienischen Restaurant in Kreuzberg. So bleibt wenigstens die Hoffnung auf den Nachholtermin Anfang September. Möge ihr bitte die Delta-Variante keinen Strich durch die Rechnung machen.
Mieke Miami, die eigentlich Sabine Mieke Wenzl heißt, wirkt schon ein bisschen traurig ob der ausgefallenen Show. Aber auch nicht zu sehr. So wie sie da vor ihrem Espresso sitzt mit einem ständigen Grinsen im Gesicht, hat man das Gefühl, dass schon weit mehr kommen muss als zu viel Regen zur falschen Zeit, damit sie mal wirklich schlechte Laune bekommt.
Dass man auf eine Frau mit einem sonnigen Gemüt treffen würde, deutete sich bereits beim Hören ihrer Platte an. Die klingt so locker und entspannt wie ein idealer Urlaubstag. Da perlt das E-Piano, groovt der Bass und funkeln die Blasinstrumente, dass man sich automatisch einen rundum gelungenen Ausflug an den Badesee vorstellt, der einen denken lässt, ab sofort nie mehr Sorgen im Leben zu haben.
Miami ist ein Fan der Fab Four
Dabei lässt sich nie so genau sagen, was man hier eigentlich hört. Ist das Soul? Singer-Songwriter-Musik? Oder doch eher ziemlich perfekt polierte Popmusik mit einem zarten Jazz-Vibe? Es ist jedenfalls ein bunter Strauß an Klangfarben und Stilelementen, den Mieke Miami da zusammengestellt hat. Inklusive einer leicht psychedelisch vor sich hinnudelnden Coverversion von „Cry Baby Cry“ der Beatles.
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Die Beatles: Mieke Miami ist erklärtermaßen Fan der Fab Four. Aber gut, wer ist das nicht? Die Musikerin, die Ende 30 und für ihr Saxofon-Studium einst von Hamburg nach Berlin gezogen ist, hat einen nach allen Seiten offenen Musikgeschmack, der kaum Beschränkungen zu kennen scheint.
In den letzten fünf Jahren, in denen ihr zweites Album entstanden ist, habe sie vor allem zwei Platten aufgelegt, sagt sie: Das Debüt von Curtis Mayfield und „What’s Going On“ von Marvin Gaye, also zwei Überalben des Soul und der Popmusik überhaupt. „Das, was man in der Zeit hört, während man komponiert, ist das Allerwichtigste“, sagt sie. Das ist doch mal ein klares Bekenntnis gegen die berüchtigte Einflussangst.
Aber es gibt noch so viel mehr Musik in ihrem Leben. Sie nennt die Jazz-Harfinistin und Pianistin Alice Coltrane als wichtig für ihr eigenes Schaffen. Aber auch ein Album mit dem Titel „Big Western Movie Themes“ des britischen Schmalzmusik-Arrangeurs Geoff Love. Und Rod Stewart.
Sie liebt dessen ewigen Party-Hit „Da Ya Think I’m Sexy?“, um den man bei keiner Hochzeitsfeier herumkommt, bei dem sich vielen Pop-Connaisseuren jedoch der Magen umdreht. Guilty Pleasure wird ein derartiges Bekenntnis zu geschmacklich nicht ganz einwandfreiem Pop genannt: peinliches Vergnügen.
Mieke Miami schert sich nicht drum. Sie sagt, wenn sie Auto fährt, höre sie am liebsten Radiosender, die nur solche Hits spielen. Lieblingsmusik dürfe auch einfach nur Spaß machen.
[Mieke Miami: „ Montecarlo Magic“ erscheint bei Fun in the Church.]
Nach 13 Jahren in Berlin, wo sie mal im Prenzlauer Berg, in Kreuzberg und in Neukölln gelebt hat, ist sie vor zwei Jahren raus nach Luckenwalde in Brandenburg gezogen. Die übliche Geschichte: Sie war schwanger mit ihrem ersten Sohn und da lag die Idee nahe, etwas Abstand zur Großstadt zu gewinnen.
Das sei schon ein „voll radikaler Schritt gewesen“, sagt sie, einer, von dem sie vorher nie dachte, ihn jemals zu gehen. Aber alles sei fein da draußen auf dem Land und vor allem in der Corona-Zeit habe sie Berlin kaum vermisst. Die neue Luckenwalde-Erfahrung prägt durchaus ihr Album, auch wenn man das bei ihrer so mondän anmutenden Musik erst einmal gar nicht vermuten würde.
Saxofonspielen ist ihr Brot-Job
Gleich der Einstieg in die Platte, das verwaschene und traumhafte Stück „Californio“ mit seinem Sitar-Gezirpe und den Flötentönen, besingt nämlich gar nicht etwa die weltentrückte Stimmung im Laurel Canyon. Sondern ihr eigenes Aussteigerinnen-Leben in Brandenburg.
„Als ich nach Luckenwalde kam, wirkte der Ort, in dem früher viel Industrie angesiedelt war, jetzt aber vieles verfallen ist, schon ein bisschen exotisch. Es liegt hier etwas in der Luft, was man nicht gleich kapiert.“ Diese Betörung durch das Fremde habe sie musikalisch einfangen wollen. „Californio“ ist für Mieke Miami eigentlich ein Landstrich in Brandenburg.
Sie sei zuallererst Saxofonistin, dann erst Popmusikerin, sagt sie. Wer sich bei ihr meldet und sie als Instrumentalistin für eine Plattenproduktion oder einen Gig haben möchte, könne sie haben, sagt sie. „Solange er oder sie nett ist.“ Einer bestimmten Szene fühle sie sich dabei nicht zugehörig, „ich kenne halt überall Leute.“
Deswegen spiele sie „mal in diesem Swing-Tanzorchester mit oder in jener Funk-Cover-Band.“ Saxofon zu spielen sei ihr Brot-Job, sagt sie: „Ich verhunger schon nicht, wenn sich meine Platte nicht verkaufen sollte.“
Entstanden ist diese zum Großteil noch in ihrer Berlin-Zeit. In einem kleinen Heimstudio habe sie erst Soundskizzen erstellt. Ein paar Bassläufe eingespielt, ein bisschen auf die Drums gehauen. Um dann mit richtigen Musikern in einem richtigen Studio in Berlin alles rund zu machen. Tatkräftig unterstützt von ihrem Mann, der ebenfalls Saxofonist, in ihrer Band aber als Keyboarder tätig ist.
Die Sax-Soli auf der Platte, von denen es gleich mehrere gibt, stammen aber von ihr. Es gibt ja Pop-Liebhaber, die sagen, ein Saxofon gehöre sich nicht bei anständiger Popmusik. Zu kitschig. Zu aufdringlich. Aber da lacht Mieke Miami wieder nur. Saxofon-Soli seien etwas Tolles. Übrigens auch das in „Da Ya Think I’m Sexy?“.