Meister der Strategie: Perikles

Klaus Brinkbäumer ist Programmdirektor des MDR in Leipzig. Sie erreichen ihn unter Klaus.Brinkbaeumer@extern.tagesspiegel.de oder auf Twitter.

Manchmal ist ein Anführer beides zugleich oder nacheinander: zuerst groß und dann winzig, jahrelang klug und dann größenwahnsinnig. Perikles war Gestalter und Retter Athens, jahrzehntelang, und dann wurde Perikles zum Zerstörer Athens. 2500 Jahre ist das her, und hin und wieder stellt sich ja die Frage, wie lernfähig wir Menschen sind.

Meisterstrategen und -strateginnen kennen die Lehren aus der Geschichte, können alle wesentlichen Faktoren der Gegenwart einschätzen und entwickeln daraus einen Plan für die Zukunft, den sie, nach jenen unvorhersehbaren Zwischenfällen, die man Leben nennt, justieren und perfektionieren. Was Meisterstrategen und -strateginnen nicht tun: Sie lassen sich nicht von einer ziemlich irren, doch für rational und unverhandelbar erklärten Idee (dass es bei einem regionalen Konflikt in Indochina um die ganze Welt und die Demokratie und sowieso die Zukunft Amerikas gehe, sagte John F. Kennedy) in einen nicht gewinnbaren Krieg verwickeln.

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Sie beginnen auch nicht einen Krieg gegen einen friedlichen Nachbarn, weil dieser Krieg am Ende zwar ein zerbombtes Stück Land eingebracht, aber natürlich jenen Nachbarn sowie sämtliche sonstigen Nachbarn sowie deren Freunde zu Gegnern gemacht haben und mit der Zerrüttung von Volkswirtschaft, Gemeinsinn und intellektueller Innovation im eigenen Land bezahlt worden sein wird.

Perikles, der von 490 bis 429 v.Chr. lebte, wurde in Athens Demokratie 15 Mal in Folge für jeweils ein Jahr zum Strategen der Stadt gewählt. Ein spektakulärer Redner soll er gewesen sein und zugleich ein Handelnder, auch wenn die Quellenlage dünn ist, da ein Geschichtsschreiber wie Plutarch erst 600 Jahre nach Perikles diesen zitierte und deutete.

Tagesspiegel-Kolumnist Klaus Brinkbäumer.Foto: Tobias Everke

Manches indes wissen wir: Der junge Perikles sah, dass Kooperation mit Sparta effektiv war. Sparta war Landmacht, Athen Seemacht, und der gemeinsame Feind war Xerxes, war Persien. Perikles führte die richtigen Kriege, war Diplomat und hatte die richtigen Verbündeten, verfasste Bürgerrechte, prägte die Athener Kultur: Dass der Parthenontempel gebaut wurde, dass wir heute eine Akropolis besuchen können, das war Perikles’ Werk, wie auch Konzerte und Lesungen, denn er sah sein Volk als Kulturnation. Vom „Selbstvertrauen der Freiheit“ sprach er; und davon, dass Athen sich „der Welt öffnen“ solle.

Und dann: Dann wurden Mauern das wichtigste, schließlich das einzige Thema, jene Mauern, die Athen auch zum Land hin schützen sollten, aber veränderten. Zum Gefängnis wurde die Stadt, als die Pest ausbrach.

Warum die Konflikte mit Korinth, mit Sparta?

Warum nur lenkte Perikles sein Volk in den Konflikt mit Korinth, mit Sparta? Sachliche Gründe sind nicht bekannt: Was über den späten Perikles zu lesen ist, klingt nach verzerrter Wahrnehmung, Borniertheit, Hybris. „Ihr müsst jedoch wissen, dass der Krieg notwendig ist, und je williger wir ihn annehmen, desto weniger scharf werden unsere Gegner uns zusetzen, außerdem, dass aus der größten Gefahr dem Staat wie dem einzelnen die größte Ehre erwächst“, sagte Perikles laut Thukydides.

Gesandte Spartas empfing er nicht mehr. „Es gibt ein Prinzip, das ich über alles stelle, und das ist das Prinzip der Vermeidung jeglicher Konzessionen gegenüber den Peloponnesiern“, so Perikles. Das war das Ende der Diplomatie. Den Dichtern Athens verbot er Witze über die Mächtigen, die Komödie also wollte er durch Zensur bändigen: Das war das Ende der Freiheit. Der Peloponnesische Krieg begann 431 v.Chr. und dauerte 27 Jahre lang.

Athen litt, und als es dann auch noch in damals weiter Ferne, in Sizilien, Krieg führte, übernahm es sich und ging unter. Da war Perikles längst tot, an der Pest gestorben hinter den Mauern Athens.