Herthas Hoffnungsträger heißt Santiago Ascacibar
Mark Fotheringham zitierte Santiago Ascacibar noch kurz zu sich und gab ihm letzte Instruktionen. Dann klatschten sich beide ab wie gute Freunde. Man schätzt sich, man versteht sich. Und vermutlich liegt man nicht ganz falsch, wenn man Fotheringham, den schottischen Assistenten von Herthas Cheftrainer Felix Magath, und den Argentinier Ascacibar für Brüder im Geiste hält. Zwei kompakte Energiebündel, zwei unerschrockene Kämpfer, die erst aufgeben, wenn es wirklich vorbei ist.
Dass Hertha BSC am Donnerstag das Hinspiel der Relegation gegen den Hamburger SV verloren hat, hatte vermutlich einige Gründe. Felix Magath, der Trainer des Berliner Fußball-Bundesligisten, fokussierte sich bei seiner Analyse der 0:1-Niederlage vor allem auf Santiago Ascacibar. Oder besser: darauf, dass Ascacibar nicht hatte mitwirken können. Weil der 25-Jährige im letzten Saisonspiel in Dortmund seine fünfte Gelbe Karte gesehen hatte, war er gegen den HSV gesperrt. Magath sah darin einen Punkt, „der für uns recht negativ war“. Denn Ascacibar sei ein sehr zweikampfstarker Spieler, „der die ganze Zeit eine wichtige Rolle bei uns gespielt hat“.
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Das war nicht immer so, seitdem der defensive Mittelfeldspieler im Winter 2020 für zwölf Millionen Euro vom damaligen Zweitligisten VfB Stuttgart gekommen ist. Der Argentinier war ein absoluter Wunschspieler von Jürgen Klinsmann, der ihn perspektivisch schon als Stammspieler der argentinischen Nationalmannschaft gesehen hat. Bei der Copa America im Sommer 2020 werde Ascacibar ganz sicher dabei sein, prophezeite Herthas damaliger Trainer. Die Vorhersage scheiterte schon daran, dass die Copa wegen der Corona-Pandemie gar nicht stattgefunden hat. Aber unabhängig davon: Auf eine weitere Berufung ins Nationalteam wartet Ascacibar seitdem vergeblich.
Als „Mega-Talent“ hat Klinsmann den Argentinier in seiner geleakten Kaderanalyse abgefeiert. Mit ihm sei ein „weit höherer Mehrwert machbar innerhalb kürzester Zeit“. Auch diese Vorhersage ist bisher nicht eingetreten. Ascacibar ist als Sechser kein Stratege, der die großen Linien im Spiel seiner Mannschaft auf den Rasen zeichnet. Dafür stürzt sich keiner mit einer solchen Lust in den Infight, wie es der Argentinier tut – ohne Rücksicht auf die eigene Gesundheit. „Eine Maschine“, sagt Kevin-Prince Boateng über Ascacibar, „auf dem Platz, neben dem Platz.“ Solche Jungs brauche man in der Mannschaft.
Jürgen Klinsmann prophezeite Ascacibar einst eine goldene Zukunft
Gerade im Abstiegskampf sind diese Qualitäten gefragt. Unter Felix Magath stand Ascacibar in jedem der acht Spiele in der Startelf – bis zum Duell gegen den HSV, in dem Niklas Stark die Rolle als zweiter Sechser neben Lucas Tousart einnahm. Richtig zufrieden war Herthas Cheftrainer mit dieser Variante nicht, auch weil Stark nach einer gerade erst überwundenen Erkrankung noch nicht wieder im Vollbesitz seiner Kräfte war.
„Sie können Spieler nicht backen“, sagte Magath nach der Niederlage. „Spieler sind so, wie sie sind. Es gibt Spieler, die sind zweikampfstark, wie Santi zum Beispiel. Und dann haben wir Spieler, die vielleicht nicht zweikampfstark sind. Das kann ich ihnen nicht vorwerfen.“
Die Hoffnungen, dass Hertha den Abstieg aus der Bundesliga doch noch verhindern kann, haben durch die Niederlage gegen den HSV, vor allem aber durch den Auftritt der Mannschaft einen herben Dämpfer erfahren. Dass sie überhaupt noch existent sind, liegt womöglich an der Rückkehr Ascacibars in die Startelf. Mit dem manchmal etwas hyperaktiven Argentinier hofft Magath auf mehr Kontrolle im Mittelfeld und eine wirksamere Verhinderung des Hamburger Kombinationsfußballs.
Im Training am Tag nach dem Hinspiel erzielte Ascacibar ein schönes Tor per Seitfallzieher. Dass ihm das am Montag gelingt, darauf sollte man allerdings nicht unbedingt setzen.