FC Bayern holt Harry Kane: Jenseits der Schmerzgrenze – und nicht ohne Risiko
Es gibt jede Menge Hürden zu überwinden, wenn ein Fußballverein einen neuen Spieler verpflichten will. Die größte ist in der Regel die Ablösesumme, da kann der abgebende Verein den Interessenten ganz schön zappeln lassen – wie gerade im Fall Harry Kane passiert. Tottenham Hotspur hat hoch gepokert, und der FC Bayern ist nun offenbar an ein Limit gegangen, das bis vor kurzem noch deutlich jenseits der Schmerzgrenze des Klubs lag.
Das meist gut unterrichtete englische Portal „The Athletic“ hatte am Donnerstagmittag berichtet, dass Tottenham das Angebot von mehr als 100 Millionen Euro akzeptiert hat, nachdem die Münchner zuvor dreimal mit ihren Offerten abgeblitzt waren.
Die Personalie Harry Kane, die beim und vor allem rund um den FC Bayern die gesamte Sommerpause beherrscht hat, kommt nun also wohl doch zu einem guten Ende, oder zumindest zu jenem Abschluss, den sich die beiden Parteien vorgestellt haben. Tottenham bekommt ein Jahr vor Vertragsende eine Menge Geld für den 30-Jährigen, die Bayern den dringend benötigten Strafraum-Stürmer.
Ein paar kleinere Hürden gibt es noch, zum Beispiel die offizielle Zusage von Kane. Aber dass der jetzt plötzlich nicht mehr zum FC Bayern wechseln will, ist schwer vorstellbar. Der Stürmer hatte seinen Wunsch schon länger hinterlegt, Tottenham und Bayern allerdings zuletzt eine Frist gesetzt. Die Vereine müssten sich bis zum Premier-League-Start der Spurs am Sonntag einigen, nach dem Auftaktspiel gegen Brenton, so hieß es, würde Kane nicht mehr wechseln.
Es gibt keinen besseren Kauf als Harry Kane, wenn man das Geld hat und es für einen 30-Jährigen ausgeben will.
Gary Lineker, englische Fußball-Legende
Die Rahmendaten zwischen dem Stürmer und den Münchner waren dem Vernehmen nach ja schon länger verhandelt worden. Kane wird jenen Gehaltsposten übernehmen, der durch den Transfer von Sadio Mané nach Saudi-Arabien frei geworden. Ist auch der obligatorische Medizincheck erfolgreich, kann die Familie Kane mit den bald fünf Kindern die Umzugskisten packen lassen. Seine Frau Katie Goodland soll sich ja schon vor ein paar Wochen in München nach einer geeigneten Immobilie umgesehen haben.
Für die Bundesliga ist es erst einmal ein Statement, dass der Kapitän der englischen Nationalmannschaft aus der finanzkräftigen Premier League nach Deutschland wechselt. Aber ob der Rekordtransfer sich auch für die Bayern auszahlt?
Geht es nach einem von Kanes Vorgänger als Englands Top-Stürmer, Gary Lineker, auf jeden Fall. „Er ist ein herausragender Spieler und garantiert deiner Mannschaft Tore“, sagte er der „Sport Bild“. Es gebe „keinen besseren Kauf als Harry Kane“, findet Lineker, „wenn man das Geld hat und es für einen 30-Jährigen ausgeben will“.
Im Vorjahr war Sadio Mané der Königstransfer – er floppte
Klar, es geht beim deutschen Rekordmeister auch immer ein bisschen ums Marketing und den Merchandising-Verkauf. Da darf der Rekordmeister mit einem Ansturm auf das Trikot von Kane im Bayern-Shop hoffen. Aber auch der hängt nach einer gewissen Anfangseuphorie der Fans von den sportlichen Leistungen des Spielers ab.
Die Personalie birgt auch ein paar Risiken. Noch scheint Kane in Topform zu sein, wie seine vier Tore im Testspiel der Spurs gegen Schachtar Donezk zuletzt zeigten. Aber mit 30 ist er bestenfalls auf dem Höhepunkt seiner Stürmer-Schaffenszeit, wahrscheinlicher ist, dass er den schon hinter sich hat.
Sicher kann Kane noch ein paar Jahr auf hohem Niveau spielen – vorausgesetzt, er bleibt von größeren Verletzungen verschont und fremdelt nicht derart mit dem Verein wie es Mané im vergangenen Jahr getan hat. Der Senegalese war so alt Kane jetzt, als ihn die Bayern aus Liverpool holten und nach Aussagen seines Trainers Jürgen Klopp in Bestform, aber er konnte in München die hohen Erwartungen nicht erfüllen.
Kane kennt sich vermutlich gar nicht mehr damit aus, wie es ist, sich auf einen neuen Verein einstellen zu müssen. Er spielte – abgesehen von ein paar Ausleihen in ganz jungen Jahren – nur bei den Spurs. Nun muss er sich nicht nur zum ersten Mal in seiner Karriere an ein neues Land gewöhnen, sondern auch an eine andere Spielweise, ein anderes Umfeld – und daran, auch an einer üppigen Ablösesumme gemessen zu werden. Von den Fans, aber auch im Mannschaftskreis.
Der FC Bayern hätte aussteigen können im Poker um Kane, bis zur Winterpause warten, um dann den Stürmer vielleicht zu einem deutlich reduzierten Preis zu holen. Vermutlich wäre es in der ersten Saisonhälfte mit Mathys Tel oder Eric Maxim Choupo-Moting als Mittelstürmer auch gutgegangen. Aber Trainer Thomas Tuchel hätten das den Verantwortlichen nur schwer vermitteln können, nachdem schon die Verpflichtung seines anderen Wunschspielers Kyle Walker gescheitert war. Der Bayern hatten fast keine andere Wahl, als weiter um Kane zu kämpfen – und damit in für sie neue finanzielle Sphären vorzustoßen.