Biathlon-Weltmeisterschaft in Oberhof: „Wir müssen angriffslustig in die Heim-WM gehen“

An die letzte Heim-Weltmeisterschaft haben die deutschen Biathletinnen und Biathleten besondere Erinnerungen. 2012 in Ruhpolding, in der Chiemgauer-Arena, wurden es die Magdalena-Neuner-Festspiele und gleichzeitig der Abschied einer deutschen Ausnahmeathletin von der großen Bühne. Mit Gold im Sprint und Gold mit der Staffel krönte sich Neuner zur Rekordweltmeisterin (zwölf Goldmedaillen).

Elf Jahre später fehlen dem deutschen Biathlon derartige Ausnahmeerscheinungen. Die Hoffnungen auf Podestplätze ist vor der am Mittwoch beginnenden Weltmeisterschaft in Oberhof dennoch groß – und zuzutrauen wäre eine Medaille vor allem Denise Herrmann-Wick. Spätestens seit dem Gold-Triumph im Einzel bei den Olympischen Spielen vor einem Jahr sollte die 34-Jährige dafür bekannt sein, dass sie bei Großereignissen in Bestform ist.

Damit sich der Traum von einer Goldmedaille vor heimischem Publikum erfüllt, gehe es vor allem darum, dass sich Herrmann-Wick selbst vertraue und ihre Aufgaben am Schießstand erfülle, sagte der Disziplintrainer der Frauen, Sverre Olsbu Röiseland. Am Schießstand zeigt die Verfolgungsweltmeisterin von 2019 diesen Winter durchgehend stabile Leistungen, ihre Trefferquote liegt bei 85 Prozent und in der Loipe ist Herrmann-Wick kaum zu schlagen. Nur die Schwedin Elvira Öberg war schneller.

Im Weltcup feierte die Deutsche im Sprint und in der Verfolgung jeweils einen Sieg. Sollte Herrmann-Wick bei der WM aber alle Scheiben abräumen, dann könnte sie dafür sorgen, dass Oberhof die nächsten heimischen Festspiele erlebt.

Neben Herrmann-Wicks Titelambitionen ist auch die junge Staffel der Frauen bereit für die große Bühne. Das Team um Vanessa Voigt, Anna Weidel, Janina Hettich-Walz und Hannah Kebinger brillierte zuletzt mit einem zweiten Platz – und das ohne Herrmann-Wick. „Wir müssen angriffslustig in die Heim-WM gehen, keine Angst vor den Rennen haben, aus Niederlagen und Erfahrungen lernen“, sagte Röiseland. Es sei wichtig, die Zuschauer und die Heim-WM als Vorteil zu nutzen. Auch für den Sportdirektor Biathlon, Felix Bitterling, sei die Heim-WM kein Fluch, sondern Segen.

Bei den Männern führt der Sieg nur über Johannes Thinges Bö

Gegen heimische Festspiele hat die internationale Konkurrenz jedoch etwas einzuwenden, der Favoritenkreis ist so groß wie lange nicht mehr. „In jedem Rennen könnte es eine andere Weltmeisterin geben“, sagte Röiseland. Zur engeren Auswahl auf eine Medaille zählt hier definitiv die derzeit Führende im Gesamtweltcup, Julia Simon.

2019 wurde die Französin Weltmeisterin in der Single-Mixed-Staffel mit Antonin Guigonnat. Nun soll es in Oberhof endlich mit dem Einzelweltmeistertitel klappen: „Bei der WM kann ich mein Gelbes Trikot nicht verlieren. Ich muss einfach so weitermachen wie bisher. Nicht mehr, denn mit dem Druck, den man hat, will man immer mehr“, sagte Simon.

In jedem Rennen könnte es eine andere Weltmeisterin geben.

Sverre Olsbu Röiseland, Disziplintrainer im deutschen Frauenteam

Der „Mister Unschlagbar“ dieser Saison bei den Männern heißt wieder einmal Johannes Thingnes Bö. Läuferisch befindet sich der Norweger aktuell auf seinem eigenen Planeten. Auch bei dieser WM wird der Norweger in allen Disziplinen auf die Jagd nach Goldmedaillen gehen – davon hat er schon 12. Rekordhalter ist hier ebenfalls ein Norweger, Ole Einar Björndalen, mit 20 WM-Titeln.

Selbst eine Strafrunde dürfte Bö aufgrund seiner starken Laufform vom Goldmedaillensammeln nicht abhalten. Und sollte der 29-Jährige doch mal in die Bredouille kommen, dann sind Bruder Tarjei und Kollegen aus dem eigenen Lager zur Stelle: Sturla Holm Laegreid, Vetle Sjaastad Christiansen oder Johannes Dale.

Die Norweger haben in dieser Saison bisher auch mit der Staffel dominiert. In allen vier Wettbewerben standen sie ganz oben. Doch auch die deutschen Männer dürfen sich in dieser Disziplin Medaillen-Hoffnungen machen. Bei keiner Staffel verpassten sie das Podest: Es gab zwei dritte sowie zwei zweite Plätze.

„Schaut man auf die Olympischen Spiele im letzten Jahr, war die deutsche Mannschaft immer nah dran: Platz vier (Staffel), sechs (Benedikt Doll, Einzel), sieben (Roman Rees, Einzel). Sie sind auf einem Top-Niveau unterwegs, haben das Können, aber das Glück war nicht auf ihrer Seite. Ein Fehlschuss hier, ein Fehlschuss dort, vielleicht nicht das beste Material in den ersten beiden Rennen… Daher konnten sie keine Medaillen holen“, sagte der Co-Trainer der Männer, Uroš Velepec.

Das Team wisse aber, dass es in jedem Rennen aufs Podium laufen könne, wenn jeder ein perfektes Rennen mache. Auch Einzel-Podestplätze seien realistisch. David Zobel, Roman Rees und Benedikt Doll haben bereits im Weltcup bewiesen, dass mit ihnen zu rechnen ist. „Für die WM gilt: 7 Starts, 7 Chancen“, sagt Velepec. Ob sich die Chancen in Medaillen verwerten lassen, wird sich in den nächsten zwei Wochen zeigen.

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