Duell der Gegensätze zwischen Union und VfB: Christian Gentner erlebt einen harten Start in die Managerkarriere
Christian Gentner ist eher ein Mann der ruhigen Töne, doch sein Abschied vom 1. FC Union hätte lauter nicht sein können. Im Mai 2021 bestritt der zweimalige Deutsche Meister sein letztes Spiel in Berlin und feierte nach dem denkwürdigen 2:1 gegen Rasenballsport Leipzig die Qualifikation für den Europapokal.
Union spielte zum ersten Mal seit 20 Jahren international, Gentner ließ seine Karriere in der Schweiz beim FC Luzern ausklingen. An diesem Samstag (15.30 Uhr, Sky) kehrt er zum ersten Mal ins Stadion An der Alten Försterei zurück. In neuer Funktion als Leiter der Lizenzspielerabteilung des VfB Stuttgart. „Ich habe einen großen Teil meines Lebens beim VfB verbracht. Hier jetzt in neuer Rolle zu beginnen, fühlt sich gut an“, sagte Gentner im Wintertrainingslager.
Der mittlerweile 37-Jährige kam nach dem Stuttgarter Abstieg 2019 zu Union und war ein wichtiges Puzzleteil bei der Etablierung in der Bundesliga. Gentner fühlte sich im Verein sehr wohl, genoss das ruhige Umfeld, doch sein Herz gehörte stets seinem Heimatklub. Dass er dem Fußball erhalten bleiben würde, war schon zu seiner Berliner Zeit deutlich. Noch während er bei Union Bundesliga spielte, begann er mit einem Lehrgang „Management im Profifußball“, den der DFB damals zum ersten Mal anbot.
Seit Januar ist er zurück beim VfB und geht die ersten Schritte in der Karriere nach der Karriere – und die beginnt in Stuttgart alles andere als einfach. Der VfB hat die Länderspielpause auf Rang 18 verbracht, unter Bruno Labbadia gab es in zehn Spielen nur einen Sieg. Der im Winter von Union verpflichtete Genki Haraguchi ist zwar im Mittelfeld gesetzt, die Ergebnisse sind aber weiter schlecht. Natürlich wird in dieser Situation im notorisch unruhigen Stuttgarter Umfeld bereits wieder über den Trainer diskutiert.
Gentner hat in seiner langen Karriere unter keinem Coach so viele Spiele bestritten wie unter Labbadia und sich kurz nach seinem Amtsantritt noch sehr zuversichtlich gezeigt für die Rückrunde. Doch die Zweifel rund um den Verein sind mittlerweile groß. „Es gibt niemanden, der mir mehr Druck macht, als ich selbst“, sagte Labbadia am Donnerstag zu den Diskussionen um seine Person.
Stuttgart und Union haben sich seit dem zumindest für die Berliner historischen Aufeinandertreffen in der Relegation in gänzlich unterschiedliche Richtungen entwickelt. Bei Union zeigt der Trend weiter nach oben, das Team liegt auf Rang drei und ist auf dem besten Weg, mal wieder die beste Saison der Vereinsgeschichte zu spielen. Gelingt es den Berlinern am Samstag, ihre Serie von sechs sieglosen Spielen gegen Tabellenletzte zu beenden, wäre es der nächste wichtige Schritt auf dem erneuten Weg in den Europapokal, vielleicht sogar in die Champions League.
Duell der Gegensätze
Der VfB ist nach dem Abstieg zwar schnell in die Bundesliga zurückgekehrt, vom internationalen Geschäft ist der frühere Europapokal-Stammgast aber meilenweit entfernt und Ruhe kehrte im Schwabenland maximal für kurze Phasen ein. Das hat sich aufgrund der bedrohlichen Tabellensituation bisher auch mit neuen Kräften in der sportlichen Führungsebene nicht geändert.
Im Dezember folgte der gebürtige Berliner Fabian Wohlgemuth, der in der Jugend für Union spielte, als Sportdirektor auf Sven Mislintat. Mit Gentner im operativen Geschäft sowie Philipp Lahm und Sami Khedira als Beratern hat sich die Klubführung bewusst prominente Gesichter einer erfolgreichen VfB-Vergangenheit an die Seite geholt. „Mit Fabian und auch mit Gente bin ich fast täglich im Gespräch“, sagte Labbadia. Dabei ginge es um Planungen für die Zukunft, aber natürlich auch um die prekäre aktuelle Situation. „Wo können wir noch ansetzen, was können wir tun?“
Spielerisch sieht der Trainer trotz der ausbleibenden Erfolge keinen Anlass für grundlegende Änderungen. Die Mannschaft sei für einen aktiven, druckvollen Fußball zusammengestellt worden und „diese Spielweise wollen wir auch so“, sagte Labbadia. Allerdings sieht er bei seinem Team auch Defizite – und die werden vor allem im Vergleich zu Union deutlich. „Man merkt, dass sie sich in den letzten Jahren viel Selbstvertrauen und Geduld erarbeitet haben“, sagte der VfB-Trainer über den Gegner. So gewinne Union auch Spiele, in denen das Team nur sehr wenige Chancen hätte.
Bei den Stuttgartern ist hingegen das gegensätzliche Phänomen zu erkennen, das traditionell viele Mannschaften im Tabellenkeller betrifft. Die Mannschaft belohnt sich oft nicht für den Aufwand und die spielerisch durchaus ordentlichen Leistungen. „Wenn bei uns Dinge nicht gelingen, gehen die Köpfe eher nach unten“, sagte Labbadia, der für Samstag eine nicht sonderlich gewagte Prognose aufstellte: „Gegen Union wird es nicht nur über Schönspielen gehen.“
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