Fack ju Bildungsmisere
Um Großalarm im Lehrerzimmer auszulösen, langt ein schlichtes Klopfen. Ist schließlich Freitagnachmittag. Schulhof und Klassenräume liegen verwaist. Nur ein paar Lehrer und die Referendarin sind noch da. Jetzt klopft es schon wieder. „Wenn ich etwas nicht ertrage, sind es Schüler um halb drei“, stöhnt Frau Lohmann. „Schüler um halb elf sind aber auch nicht besser“, pflichtet Herr Engelhardt bei.
So geht das hin und her, bis sich die Referendarin erbarmt. Draußen steht jedoch ein Hilfe suchender Vater. „Das ist ja noch schlimmer!“, jault Engelhardt, womit in der Eingangsszene schon mal einige Pauker gebrandmarkt sind. Als Rechthaber, die im Schuldienst zu Misanthropen, Zynikern und Jugendfeinden degenerierten.
Mit „Eingeschlossene Gesellschaft“ kehrt Sönke Wortmann in den identifikationsträchtigen Mikrokosmos Schule zurück, der ihm seit der Verfilmung des Bühnenerfolgs „Frau Müller muss weg“ vertraut ist. Nur, dass es in der Filmfassung eines Hörspiels von Jan Weiler diesmal die Lehrerseite ist, die nach der Eltern-Komödie im Mittelpunkt steht.
Wortmann produziert derzeit einen sagenhaften Ausstoß an vermeintlich provokanten, aber verlässlich schmerzfrei konsumierbaren Gesellschaftskomödien. Nach „Der Vorname“ und „Contra“ mit Nilam Farooq, die in „Eingeschlossene Gesellschaft“ nun die Referendarin Sarah Schuster spielt, folgt im Herbst die „Vorname“-Fortsetzung „Der Nachname“ – bei der dann auch wieder Florian David Fitz dabei ist, der hier den Sportlehrer Peter Mertens mit Hang zur Schülerinnenschaft gibt. Gegenspieler des Filous sind Heidi Lohmann (Anke Engelke) und Klaus Engelhardt (Justus von Dohnányi), die als Studienräte alten Schlages das Leistungsprinzip hochhalten. Ein nerdiger Chemielehrer und ein softer Allesversteher komplettieren die klischeefreudige Charakter-Palette.
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Aufgemischt wird sie von Vater Prohaska (Thorsten Merten), der die glänzende Zukunft seines Filius schwinden sieht, weil Fabian ein Punkt zur Abiturzulassung fehlt. Mit vorgehaltener Pistole erzwingt er eine außerordentliche Notenkonferenz des verstockten Lehrkörpers. Natürlich läuft das Kammerspiel aus dem Ruder und driftet vom Wortwitz schließlich ins Sentiment. Selbst das Alte-Jungfern-Klischees bedienende Liebestrauma der von Chansonnier Georges Moustaki verschmähten Heidi Lohmann kommt in einer Rückblende ans Licht. Der satirischen Stoßrichtung hilft das gerade nicht. Dass Lehrerinnen auch nur verletzliche Menschen sind, hat man sich schon als Schülerin gedacht.
Wohin „Eingeschlossene Gesellschaft“ zielt, bleibt unklar, trotz der üppigen Angriffsflächen, die das Bildungssystem bietet. Elterlicher Ehrgeiz, autoritäre Alt-Pädagogen, zu viel oder zu wenig Disziplin, digitale Unterentwicklung, Generationenclinch, Klassismus – jedes Thema bekommt ein paar Spitzen ab. Wortmanns amüsantestes Pfund ist das Typecasting. Vor allem Justus von Dohnányi glänzt als arroganter Lateiner, der den soften jüngeren Kollegen ihre Doppelmoral um die Ohren haut. Bis die eigene Integrität in Scherben fällt. (In 27 Berliner Kinos)