Trans Frauen sind keine Gefahr für den Frauensport
Die US-amerikanische Schwimmerin Lia Thomas hat Geschichte geschrieben: Mit einem Sieg über die 500 Yards Freistil hat sie als erste trans Athletin einen Titel in der höchsten Kategorie der National Collegiate Athletic Association (NCAA) gewonnen. Doch die Freude darüber währte nicht lange, denn ihr Erfolg ist inzwischen zum Politikum geworden.
In den sozialen Medien wurden der 22-Jährigen unfaire Vorteile vorgeworfen, sogar von Betrug war die Rede. Das Ganze ging so weit, dass Floridas Gouverneur Ron DeSantis eine Erklärung unterzeichnete, in der er stattdessen die Zweitplatzierte Emma Weyant, ebenso aus Florida, zur Siegerin erklärte. Das war Populismus pur, denn natürlich hat DeSantis keinerlei Befugnis, in die Ergebnisse eines nationalen Sportverbandes einzugreifen – sein Manöver, sich als „Beschützer“ einer Athletin seines Bundesstaates inszenieren zu wollen, war also sehr durchsichtig. Eine symbolische Wirkung hatte DeSantis dennoch. So warf er der NCAA vor, den Frauensport zu zerstören und die Integrität des Wettbewerbs zu untergraben, damit sprach er Thomas letztlich ihre Identität als Frau ab.
Der Ausbruch des Trump-Freunds DeSantis ist der traurige Tiefpunkt einer transfeindlichen Entwicklung im Leistungssport allgemein. Erst im vergangenen Jahr sah sich die Gewichtheberin Laurel Hubbard, die als erste trans Athletin in der Geschichte an Olympischen Spielen teilnahm, bereits vor Beginn der Spiele diskriminierenden Anfeindungen ausgesetzt. Letztlich schied sie nach drei ungültigen Versuchen aus. Ähnlich verhielt es sich im Rugby, wo der Weltverband trans Frauen gänzlich aus Frauenteams ausschließen wollte. Von Sicherheitsbedenken war die Rede und von körperlichen Vorteilen. Dabei haben wissenschaftliche Studien längst mit derartigen Vorurteilen aufgeräumt und gezeigt, dass ein höherer Testosteronwert nicht automatisch Vorteile bedeutet.
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Das gilt im übrigen auch für Thomas: Durch die Hormoneinnahme veränderte sich ihr Körper, ihre Zeiten sind fast durchweg deutlich langsamer geworden. Ein Vergleich ihrer Zeiten vor und nach Beginn ihrer Transition legt nahe, dass sie tatsächlich gar nicht die großen Vorteile bei den Frauen hat, die ihre Gegner ihr immer unterstellen – sondern dass sie auch früher bereits auf einem sehr hohen Niveau schwamm. Die Unirekorde bei den Männern lagen für sie früher zumindest genauso in Reichweite.
Das Argument, den Frauensport zu schützen, scheint vorgeschoben
Überhaupt stellt sich die Frage, weshalb dem Testosteronwert einer Athletin so viel mehr Bedeutung beigemessen wird als anderen biologische Anlagen wie der Körpergröße. Und warum werden eigentlich potenzielle Nachteile von trans Männern nicht diskutiert? Menschen wie DeSantis‘ behaupten gern, dass sie die Kategorie Frau und den Frauensport als solchen schützen wollen, aber dieses Argument scheint vorgeschoben. Vielmehr soll ein bestimmtes Ideal von Frau aufrechterhalten werden – zur Not durch gewalttätige Methoden wie Geschlechtskontrollen, die trans und intergeschlechtliche Frauen dazu zwingen, Medikamente zu nehmen, ohne dass die gesundheitlichen Folgen absehbar sind.
Erica Sullivan, die bei dem Wettkampf Dritte wurde, hat sich übrigens hinter Thomas gestellt und sie gegen die Anfeindungen verteidigt, genauso wie die viertplatzierte Brooke Forde. Sullivan sagte: „Als Frau im Sport kann ich Ihnen sagen, dass ich weiß, was die wirklichen Bedrohungen für den Frauensport sind.“ Damit hat sie Recht: Wenn es tatsächlich darum ginge, den Frauensport zu schützen, dann sollten Themen wie sexueller Missbrauch, ungleiche Bezahlung oder mangelnde Repräsentation endlich konsequent angegangen werden. Trans Frauen stellen keine Gefahr dar, ganz im Gegenteil: Sie sind es, die durch die diskriminierenden Strukturen gefährdet sind und Schutz verdienen.