„Die Unberechenbarkeit ist genau das Gefährliche“
Auf die Frage wie es ihm gehe, reagiert Paul Drux erst einmal mit einem Husten, schiebt aber schnell ein „ganz okay“ hinterher. Der Nationalspieler gehört zu den sieben Handballern bei den Füchsen Berlin, die am vergangenen Wochenende positiv auf das Coronavirus getestet wurden.
Seit einer Woche befindet er sich in Quarantäne, hat aber mittlerweile den schwersten Teil der Infektion hinter sich gebracht. So hofft er zumindest, denn die jüngsten Berichte über Kollege Maximilian Jäger, der beim HC Erlangen unter Vertrag steht und acht Monate durch Long Covid aus der Bahn geworfen wurden war, beschäftigen ihn selbstredend.
„Da macht man sich auf jeden Fall Gedanken“, gibt Drux zu. „Das scheint immer so weit weg zu sein, wenn man niemand kennt, der damit in Berührung gekommen ist. Doch wenn man sich das jetzt durchliest, ist man schon erstaunt, dass es einen so jungen Burschen umhauen kann, der kerngesund scheint. Aber diese Unberechenbarkeit ist ja genau das Gefährliche.“
Dokumentationen statt Sportvideos
Bei den Füchsen hofft man, von derartigen Nachwirkungen, wie sie der 23 Jahre alte Jäger erfahren musste, verschont zu bleiben. Alle Spieler sind im Kontakt untereinander, telefonieren regelmäßig mit dem Trainer und der Vereinsführung. Viel mehr war durch die Isolation zunächst ohnehin nicht möglich, die auch die Trainingseinheiten der negativ Getesteten wieder ins heimische Wohnzimmer verlegte.
So sah man dann beispielsweise einen Marko Kopljar im Trainingsdress vor dem Fernseher auf der Stelle laufen, als dass er in der Halle Einheiten mit dem Ball absolvieren konnte.
Doch selbst das ist für Paul Drux momentan noch außer Reichweite. Während seine Teamkollegen zuhause schwitzten, tat er das zwar genauso, aber eben liegend und bei Suppe und Tee seine Krankheit auskurierend. Er schaut momentan Dokumentationen und Polit-Talkshows an Stelle von Sportvideos. „Mal sehen, wann ich wieder einsteigen kann“, sagt der 26-Jährige. Zunächst muss er aber vollständig symptomfrei sein, bevor seine Infektiosität getestet und sein Körper auf Nachwirkungen untersucht wird.
Unterdessen musste sich sein Trainer Jaron Siewert auf die Suche nach einem Team machen, das heute gegen den HSV Hamburg (16 Uhr, Schmeling-Halle) antreten kann – mit sieben Infizierten und drei Verletzten nicht die einfachste Aufgabe. Doch eine Wahl blieb den Berlinern schließlich nicht. Die Handball Bundesliga (HBL) lehnte einen Antrag auf Verlegung ab, auch der am Donnerstag eingelegte Einspruch blieb erfolglos.
„Wenn die Regularien so sind, müssen sie für alle gleich gelten. Aber die wichtigere Frage scheint mir momentan, ob die so richtig sind“, bringt Drux einen Punkt ein, der in den vergangenen Tagen von einigen Seiten angemahnt wurde. Der Satzung der HBL zufolge muss gespielt werden, wenn fünfzig Prozent der Spieler einsatzbereit sind. Und da die Berliner mit Robin Heinis, Lasse Ludwig, Dustin Krause und Marian Hajko zusätzlich zum 18er-Kader vier Jugendspieler im Profibereich als spielberechtigt gemeldet haben, ist dieser Fakt gegeben.
Verzerrte Mannschaft und sture Liga
„An sich ist das super, dass wir so viele junge Spieler haben, die kurz davor sind, den Sprung zu schaffen. Aber das fällt uns gerade ein bisschen auf die Füße“, sagt Drux und merkt an: „Das wird bei uns zu einer absolut verzerrten Mannschaft führen. Und erhöht die Gefahr für die Spieler, die noch übrig sind.“
Dabei ist das Spiel gegen die Hamburger, die im Übrigen einer Verlegung zugestimmt hatten, nicht das Hauptproblem der Berliner. Es geht ebenfalls darum, dass am Dienstag das Pokalspiel beim TVB Lemgo (18.15 Uhr) terminiert wurde und die wenigen verbliebenen Spieler von einer erhöhten Belastung betroffen sind. Einmal ganz davon abgesehen, dass ebenso die Saisonziele der Füchse in Gefahr geraten, wenn man in der Liga den Anschluss zur Spitze verliert und im Pokal ausscheidet.
„Ich kann das nicht nachvollziehen. Da hätten wir alle eine andere Entscheidung erwartet“, sagt Drux. „Sicher, die HBL will so viele Spiele wie möglich durchziehen und das ist verständlich. Doch es hätte bestimmt Lösungen und Wege gegeben, um durch einen Doppelspieltag oder ähnliches den Termin nachzuholen.“
Doch die Liga blieb stur und so werden die Füchse mit einer Mischung aus dem Profibereich, der A-Jugend, der zweiten Mannschaft aber auch mit Spielern vom Kooperationspartner aus Potsdam antreten. Wie das Endprodukt aussehen wird, wollte Jaron Siewert noch nicht verraten, um sich zumindest diesen Vorteil zu wahren. Allerdings dürften Hans Lindberg, Lasse Andersson, Jacob Holm, Milos Vujovic und Viran Morros, die bereits zuvor an Corona erkrankt waren, gesetzt sein. Marko Kopljar machte vor dem Fernseher ebenfalls einen fitten Eindruck.
Fraglich ist derweil, welche Spieler aus ihrer Quarantäne „freigetestet“ werden konnten. Eine Symptomfreiheit vorausgesetzt, muss dafür eine gewisse Anzahl an negativen Tests beziehungsweise eine geringe Infektiosität nachgewiesen werden. Paul Drux fällt definitiv aus. Bis er auf das Handballfeld zurückkehren kann, wird es noch etwas dauern.