Wie wir uns bauen (3): Berlins Dächer sollen grüner werden
An der einen Wand des Eckhauses, der Boden gehört zum Bezirk Pankow, ranken sogar im Januargrau prachtvolle Rosen empor. An der zum Bezirk Mitte gewandten Seite des gleichen Hauses herrscht dagegen Ödnis. Dort mussten vor Jahren die gut gedeihenden Pflanzen auf Anweisung „des Amts“ wieder herausgerissen werden, sagt die Lokallegende.
Heute würde das Amt hoffentlich anders entscheiden, weiß man auch in den Verwaltungen: Rankendes Grün wärmt die Häuser, Höfe und Stadtviertel im Winter, kühlt sie sanft im Sommer, hält bei richtiger Anwendung die Fassaden trocken, reinigt die Luft vom Staub, entspannt mit schillerndem Farbenspiel die im Homeoffice austrocknenden Augen, bekämpft den Klimawandel. Allenfalls Spinnen und Käfer ärgern Manche – dabei zeigen sie an, dass die Lebensumgebung noch nicht völlig vergiftet ist.
Für viele Architekt:innen, Haus- und offenbar auch Stadtverwaltungen ist Grün an Fassaden und Dächern aber immer noch ein Greul. Zerstört es doch die schönen geraden Linien. Blätter müssten entsorgt werden. Frei schweifende Ranken könnten Fußgänger oder gar, unnennbares Grauen im Autofahrerland, die Lacke der SUVs peitschen. An solchen Schein-Argumenten scheiterten auch in Berlin bisher alle Versuche, die Stadt systematisch vertikal ergrünen zu lassen.
Dabei fordern das wenigstens seit den frühen 1980ern Planende, Ökologen und sogar Soziologen: In der Sorge um die Pflanzen kommen Menschen gerne zusammen. Weiß man aus Amsterdam, Kopenhagen, New York, Hamburg, Leipzig und sogar Berlin: Selbst in so genannten „Problemvierteln“ werden gemeinsam gepflegte Beete und Gärten zu respektierten Schonräumen.
Aber nun gibt es Hoffnung auf mehr vertikales Grün: Am 1. Januar trat das das neue Berliner „GründachPlus“ in Kraft, Nachfolger eines bereits 2019 initiierten Förderprogramms. In dem steht Straßengenau drin, was wo wie gefördert werden kann. Wenn Sie eine Villa mit viel Garten im grünen Zehlendorf haben, sind die Chancen schlecht, bei einem Haus in den Innenstadtbezirken und dicht bebauten Vierteln bis hin nach Marzahn, Spandau und Lichtenrade dagegen gut.
Neubauten haben allerdings keine Chance. Dabei können gerade die regelrechte Babylonische Gärten werden. Siehe den Torre Bosco in Mailand. Gefördert wird immerhin schon ab 10 Quadratmeter Wandfläche, Dächer ab 100 Quadratmeter. Jetzt müssen also nur noch die Eigentümer:innen mitspielen, erkennen: Jedes Grün ist gut. Und mehr Grün ist besseres Grün. Sogar wenn es blättert. Und dann dürfen die Bezirke nicht dazwischen funken. Und der Denkmalschutz. Der Wasserschutz. Die Autofahrerlobby … Ach Berlin.
Zur Startseite