Weihnachtsrock von Weezer: Wenn es dunkel ist, siehst du die Sterne
Weezer spalten die Gemüter. Während die einen sie als Vorreiter des modernen Emo feiern, haben andere von ihnen noch nicht einmal gehört. Höchstens der ironische Pop-Hit „Island in the Sun“ schwirrt den meisten noch irgendwo im Gedächtnis. Zwischen Ironie und Sentimentalität lässt sich eigentlich das gesamte Œuvre der vier Musiker aus Los Angeles einstufen, die daheim schon lange Stadien füllen. Soundmäßig könnte man sie als zukunftsgewandten Zeigefinger der Beach Boys bezeichnen. Andererseits wird schnell deutlich, dass ihre größten Vorbilder stets die Beatles waren.
John, Paul, George und Ringo erschufen mit dem „White Album“ das Genre monochromer Plattencover, die oft sogar ohne expliziten Albumtitel auskommen. Rivers, Patrick, Brian und Scott brachten das Phänomen auf die Spitze: Denn auch von Weezer gibt es ein „White Album“. Und ein „Blue Album“. Und eins in Grün, Rot und natürlich in Schwarz. Die Farb-Sextologie umfasst nicht einmal die Hälfte der 15 LPs, die die Band trotz Auszeit und Umbesetzungen innerhalb von drei Dekaden veröffentlichte. Das ist wahre musikalische Akkordarbeit.
Wenn man dann noch in die Klassik blickt und Vivaldi als Inspiration hinzunimmt, landet man auch schon bei Weezers aktuellstem Projekt: vier EPs mit dem lautmalerischen Gesamttitel „SZNZ“ (kurz für „Seasons“), die jeweils zum Start der vier Jahreszeiten veröffentlichten wurden. Nach „Summer“, „Spring“ und „Autumn“ stimmen sie nun pünktlich zum Saisonbeginn auf den „Winter“ ein.
Als Single vorgeschoben wurde „I Want a Dog“, das bezeichnenderweise vom Verlangen des Frontmanns Rivers Cuomo handelt, eben jenen besungenen Kläffer zu besitzen. Dass Weezer seit jeher ihre Botschaften in schillernden Metaphern verpackt, macht auch der Song „Basketball“ deutlich. Nach Hunden muss nun der Schulsport für Beziehungsanalogien herhalten. „Ich kann den Basketball nicht in meine eigenen Arme werfen“, klagt Cuomo etwas verworren, aber die Botschaft ist trotzdem klar. Es ist ein bisschen vom immergleichen selbstkritischen Nerd-Rock, mit dem die Kalifornier berühmt geworden sind.
Auch „The One That Got Away“ schlägt in diese Kerbe und versprüht eine gewisse teenage angst, die sich wie ein roter Faden bis zu den Frühwerken der Band aus den 1990ern zieht. Rivers landet damit als Songwriter nach dreißig Jahren wieder bei den gleichen Sorgen, die er schon mit Anfang 20 hegte. Das mag befremdlich wirken. Das eigentliche Problem dabei ist, dass Fans der Band leider nicht in der Quelle der ewigen Jugend baden dürfen. Cuomo dreht sich im Kreis, aber die Welt dreht sich weiter.
Dennoch bleibt bei einem Weezer-Album nie wirklich alles beim Alten. Immer wieder erproben sich die vier Rocker auf „Winter“ an neuen Mustern oder entwickeln Motive alter Songs clever weiter. „Iambic Pentameter“ zeigt diese Experimentierfreude besonders: Von einer anfänglichen Hardrock-Ballade driftet er nach der Bridge in ein virtuoses Intermezzo von Gitarre und Geige, das genauso gut in einem Vampire-Weekend-Song Platz hätte.
Das Highlight der EP bildet jedoch „Dark Enough to See the Stars“, dessen musikalische Nähe zu klassischen Weihnachtsliedern einerseits und dem mittlerweile hochgelobten Konzeptalbum „Pinkerton“ (1996) andererseits kein Ausrutscher sein dürfte.
Zwei Weihnachts-EPs lieferte Weezer bereits in den 2000ern. Mit „Winter“ gesellt sich offiziell zwar keine dritte hinzu, aber ein wenig Festtagsstimmung kommt trotzdem auf. Und schlecht ist die Mini-Platte auch nicht – sicherlich die beste im Zyklus. Vier Jahreszeiten hat es gedauert, aber zum Schluss fruchten die Experimente dann doch.
Zur Startseite