Der Markante

Zum Ende der Berlinale im Jahr 2020, kurz vor dem ersten Lockdown, hatte Hartmut Becker seinen letzten großen Auftritt. Das Festival zeigte als Jubiläumsfilm Michael Verhoevens Vietnamkriegsdrama „o.k.“, das vor fünfzig Jahren die Berlinale gesprengt hatte.

In Bayern auf Bayrisch gedreht, von Brechts Verfremdungsideen inspiriert, zeigte eine als amerikanische GIs kostümierte Schauspielergruppe ziemlich erschütternd die Vergewaltigung und Ermordung eines vietnamesischen Mädchens. Das sorgte 1970 für einen Skandal im immer noch Kalten Kriegsklima West-Berlins.

Der am Samstag in Spandau mit 83 Jahren an einer Krebserkrankung gestorbene Berliner Schauspieler Hartmut Becker war damals einer der Protagonisten von „o.k.“. Und bei dem Berlinale-Podium 2020 beeindruckte Becker, neben Michael Verhoeven und den Mitspielern von einst Friedrich von Thun und Eva Mattes, sogleich mit seiner Reflektiertheit und analytischen Geistesgegenwart.

Er begann als Assistent bei Peter Zadek

Nicht umsonst war er als kluger Kopf auch lange im Vorstand der Deutschen Filmakademie. Während der Luftbrücke 1948 gehörte der zehnjährige Hartmut Becker zu den Berliner Kindern, die von den Rosinenbombern zur Erholung bei Pflegeltern nach Westdeutschland ausgeflogen wurden.

Später, nach einem Germanistik- und Theaterwissenschaftsstudium an der FU und privatem Schauspielunterricht, machte der großgewachsene, attraktive Akteur schnell Karriere.

Über erste Rollen in Braunschweig und Bielefeld, eine Assistenz bei Peter Zadek gelangte Becker an die großen Bühnen in München, Wien oder Berlin (ans Schillertheater).

Zugleich folgten weitere Filme. In Michael Verhoevens nach „o.k.“ gedrehter schwarzer Künstlerkomödie „Wer im Glashaus liebt“ bildete er mit der jungen Senta Berger ein wildes Liebespaar, bis er als verstörter Rebell aus seinem Atelier ausbrach und zum Schluss völlig nackt durch Wiens Innenstadt rannte.

Wunderbar sein Auftritt in Gerd Schneiders “Verfehlung”

Im Theater hat Hartmut Becker freilich oft in Klassiker-Rollen brilliert, etwa Mitte der siebziger Jahre als Mercutio in „Romeo und Julia“ oder als Graf Appiani in „Emilia Galotti“ am Münchner Residenztheater. In dieser Zeit begann auch unsere Freundschaft.

Becker schrieb noch Drehbücher und Stücke, machte vom „Tatort“ bis zum „Traumschiff“ viel Fernsehen, war in internationalen Filmen wie Richard Attenboroughs „Brücke von Arnheim“ oder in Werken von Lina Wertmüller, Peter Patzak, Jeanine Meerapfel dabei und mit seinem markanten Bariton Kris Kristoffersens deutsche Kinostimme.

Wunderbar war 2015 sein Auftritt als höllisch machiavellistischer Kardinal in Gerd Schneiders „Verfehlung“, dem bisher besten Spielfilm zum aktuellen Thema Kirche und Missbrauch. Nun fahr’ zum Himmel, lieber Freund.