„Black Panther: Wakanda Forever“ im Kino: Ein Königreich für eine Superheldin
Es ist nahezu unmöglich, über „Black Panther: Wakanda Forever“ lediglich als Film – den 30. im Marvel Cinematic Universe und Abschluss der vierten Phase des MCU – zu schreiben. Und nicht auch als das globale kulturelle Phänomen, das die vier Quadranten, mit der Hollywood die Erfolgsaussichten eines Films anhand des erwarteten Publikums prognostiziert (männlich/weiblich, unter/über 25 Jahren), ordentlich erschütterte.
Der Tod von Chadwick Boseman überschattet das Sequel
Über den fünften Quadranten hat man in der Filmbranche stets nur hinter vorgehaltener Hand gesprochen: Bis „Black Panther“ galt es als verbürgt, dass ein Film mit einer rein schwarzen Besetzung niemals ein Blockbuster sein kann. 2018 spielte Ryan Cooglers Film dann weltweit über 1,3 Milliarden Dollar ein; und die Academy würdigte „Black Panther“ mit einer Oscar-Nominierung als bester Film – ein Novum für einen Superheldenfilm.
Und dann ist da natürlich der tragische Tod von Black-Panther-Darsteller Chadwick Boseman im August 2020 mit nur 33 Jahren. Eine Neubesetzung der Figur stand nur ganz kurz im Raum, aber die geplante Fortsetzung war schon aus kommerziellen Gründen ebenfalls unumgänglich. Diese Umstände bedeuteten eine schwere Bürde für „Black Panther: Wakanda Forever“, der erste Film hatte viel kulturelles Kapital angehäuft, das man mit einer missratenen Fortsetzung leicht wieder hätte ruinieren können.
Der „Wakanda-Gruß“, die zwei vor der Brust verschränkten Arme, wurde zur Solidaritätsgeste der Black-Live-Matter-Bewegung nach der Ermordung von George Floyd im Sommer 2020. Auch die US-Filmindustrie hat der Erfolg von „Black Panther“ nachhaltig verändert: Das epische Actiondrama „The Woman King“ über die Kriegerinnen des historischen afrikanischen Imperiums Dahomey wäre früher undenkbar gewesen. Bei so vielen Faktoren – im Marvel-Universum, das besonders stark auf Fan-Service und Franchise-Tauglichkeit ausgerichtet ist, seit jeher ein Problem – hätte am Ende leicht ein Produkt herauskommen können, das den hohen Erwartungen kaum standhält. Regisseur Coogler und sein Ko-Autor Joe Robert Cole haben solche Bedenken offensichtlich verinnerlicht.
„Black Panther: Wakanda Forever“ sticht mehr noch als sein Vorgänger – ästhetisch sowieso, aber auch in seiner immer leicht pathetischen Ernsthaftigkeit – aus dem Marvel Cinematic Universe heraus. Nicht nur, weil er das Vermächtnis von Chadwick Boseman würdigt; sondern weil er auch seine Geschichte nicht bloß in den Dienst des MCU stellt. Die alternative Realität von Wakanda knüpft geopolitisch, kulturell und historisch klug an aktuelle Diskurse an.
Im MCU ist Wakanda als einzige Nation, die über das unzerstörbare Vibranium verfügt, ein globaler Akteur mit Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Die anderen (westlichen) Großmächte würden nur zu gerne in den Besitz des kostbaren Metalls kommen, das das Königreich dem Wohl der gesamten Menschheit zur Verfügung stellen möchte. Zu Beginn von „Wakanda Forever“ wehrt die königliche Leibgarde Dora Milaje unter der Generälin Okoye (Danai Gurira) und ihrer Adjutantin Ayo (Florence Kasumba) den Angriff einer Söldnereinheit auf ein Vibranium-Lager ab. Die UN fürchtet nach dem Tod vom Black Panther T’Challa (Boseman) eine Schwächung Wakandas unter der neuen Königin Ramonda (Angela Bassett), durch die die wertvolle Ressource in die falschen Hände geraten könnte.
In „Wakanda Forever“ tritt noch ein anderer Akteur auf den Plan, der ebenfalls auf Vibranium-Vorkommen gestoßen ist: das Unterwasserreich Talocan mit seinem Anführer Namor (Tenoch Huerta), Nachfahren der Azteken, die sich aus Protest gegen die Grausamkeit der Landbewohner ins Meer zurückgezogen haben. Namor, der hermesartig über Flügel an den Fesseln verfügt, will Ramonda mit ihren gemeinsamen Ressourcen von einem Pakt vor allem gegen die Amerikaner überzeugen, die bereits nach Vibranium-Vorkommen schürfen. Eine junge Wissenschaftlerin am Massachusetts Institute of Technology, Riri Williams (Dominique Thorne), die zukünftige Ironheart, hat die neue Technologie entwickelt und soll dafür getötet werden. Namor ist, ähnlich im Vorgänger der Wakanda-Exilant Erik Killmonger, ein geflügelter Gott des Hasses.
So moralisch ambivalent, wie „Wakanda Forever“ in den unterschiedlichen Positionen der „Subalternen“ aus dem globalen Süden ausfällt, so akribisch ist Ryan Coogler auch wieder in der Beschreibung seiner neuen Fantasiewelt. Eine willkommene Abwechslung von den zunehmend generischen CGI-Kulissen, zu denen man auch bei Marvel neuerdings neigt.
(Ab Mittwoch in 23 Berliner Kinos)
Talocan ist eine spektakuläre Unterwasserwelt, die – nicht nur weil die Talocanier eine blaue Haut haben – an „Avatar“ erinnert, in ihrer kulturellen und Herkunftsgeschichte aber immer spezifisch bleibt. Coogler nimmt sich viel Zeit, um dieser Welt und ihren Bewohnern vollauf gerecht zu werden. Ein Anspruch, der im Blockbusterkino durch den Hang zur Action und zum Tableau oft zu kurz kommt.
Der Tod von Chadwick Boseman ist dann auch mehr als eine erzählerische Girlande. Die Themen Trauer und Versöhnung – auch zwischen den zerstrittenen Ethnien in Wakanda – bestimmen den getragenen Tonfall des Films, auch weil durch den Tod des Königs die Frauen einmal mehr als gleichwertige Akteure in den Vordergrund treten.
Allen voran Letitia Wrights Shuri, die einerseits um ihren Bruder trauert, aber auch schon wieder an einem verbesserten Black-Panther-Anzug arbeitet. Es geht in „Black Panther: Wakanda Forever“ weniger um die Frage der Thronfolge. Der Film handelt schon von einem neuen Gesellschaftsvertrag.
Interview mit Florence Kasumba
Frau Kasumba, was bedeutet es Ihnen, ein Teil des Pop-Phänomens „Black Panther“ zu sein?
Als Schauspielerin ist es mein Anspruch, dass meine Figur authentisch rüberkommt, selbst wenn es sich um eine Comicfigur handelt. Ich wäre nicht zufrieden, wenn ich mich in der Rolle nicht hundertprozentig wohl fühle. Als Zuschauerin finde ich es dagegen extrem wichtig, wie Filme Sichtbarkeit erzeugen. In Amerika ist das anders, da war mein Typ schon früher präsent. In Deutschland ist das leider noch nicht der Fall, darum bin ich gerade unheimlich froh. Plötzlich sehen wir sehr viele Vorbilder; und was wir sehen, glauben wir auch. Starke Figuren wie in „Black Panther“ bleiben in Erinnerung.
Wann wurde Ihnen der kulturelle Einfluss von „Black Panther“ erstmals bewusst?
Ich habe erst auf den Comic-Messen gecheckt, was dieser Film den Menschen bedeutet. Da sind Fans an mich herangetreten und haben mir gesagt, wie sehr sie der Film inspiriert hat – zum Beispiel die afrikanische Kultur. Frauen erzählten mir, dass sie ihre Haare schon immer kurz tragen wollten und es sich nie getraut haben, weil man uns natürlich beigebracht hat, dass wir lange glatte Haare haben sollen. Ich trage meine Haare schon seit 2004 kurz, weil mich meine Mutter immer darin bestärkt hat, mir selbst treu zu bleiben. In Uganda, der Heimat meiner Eltern, tragen viele Frauen ihre Haare so wie ich. Und seit „Black Panther“ sagen immer mehr junge schwarze Frauen, dass sie ihre Haare wieder flechten oder natürlich wachsen lassen wollen. Was nicht sichtbar ist, gibt einem immer das Gefühl, irgendwas stimmt mit mir nicht.
Die Detailliebe hat viel damit zu tun, dass sich das Publikum, vor allem People of Color, mit „Black Panther“ identifizieren.
Es sind ja auch sehr viele schwarze Filmschaffende involviert, vor der Kamera und dahinter. Darum müssen bestimmte Dinge nicht mehr diskutieren werden, sie sind Teil unserer Kultur. Und „Wakanda Forever“ führt nun mit der Unterwasserwelt Talocan eine neue Kultur ein…
…die Talocanier sind Nachfahren der Azteken…
…und dieses Anders-Sein interessiert mich. Was sind das für Menschen, was sind ihre Traditionen? Ich wünsche mir von Filmen, dass die Leute aus dem Kino kommen und neugierig sind. Eine Offenheit für andere Kulturen entdecken.
Es ist Regisseur Ryan Coogler wichtig, dass Talocan als Ort genauso viel Raum einnimmt wie Wakanda.
Auch Tenoch Huerta, der Prinz Namor spielt, macht sich für seine Kultur stark. Das ist uns ein wenig abhandengekommen. In einem Interview hat Tenoch gesagt, er komme aus dem Ghetto. Dieser Satz bedeutet vielen Menschen extrem viel, dafür muss ich nicht mal seine Historie haben. Ich kann auch aus einem armen Stadtteil in Berlin kommen – und ihn trotzdem hören und verstehen.
Sie meinten eben, dass man Deutschland nicht mit den USA vergleichen kann. Welche Bedeutung hat „Black Panther“ für People of Color hierzulande?
Als der erste Film rauskam, herrschte in Amerika Ausnahmezustand, die Tickets waren ausverkauft. Als ich dann nach Deutschland zurückkehrte, wurde „Black Panther“ anfangs in nicht so vielen Kinos gezeigt. Ich habe dann mal jemanden gefragt: Woran liegt das? Wenn ein neuer „Spider-Man“ läuft, kriege ich für die Kinder sogar Unterhosen mit Spider-Man drauf. Da sind zu viele schwarze Leute auf dem Poster, hieß es dann. Das war für mich wie ein Schlag ins Gesicht. Da wusste ich, okay, es braucht hier noch ein bisschen länger. Und das ist schade, weil natürlich auch in Deutschland viele PoC leben, und da ist so ein Film wichtig. Ich möchte nicht, dass meine Kinder so aufwachsen wie ich damals.
Wer waren in Ihrer Jugend in Essen Vorbilder, an denen Sie sich orientierten?
Mein Vorbild ist ganz klar meine Mutter. Als Kind habe ich aber auch viel die „Cosby Show“ gesehen und „Der Prinz von Bel-Air“. Gar nicht mal, weil ich sage, meine Vorbilder müssen die gleiche Hautfarbe wie ich haben. Es ging einfach darum, dass schwarze Menschen hier überhaupt nicht vorkamen.