Herr der Bücher: Besuch in Umberto Ecos Bibliothek
Es klingt wie eine gesuchte Pointe und ist doch wahr. Der Vater Giulio Eco in der norditalienischen Stadt Alessandria war ein schlichter Buchhalter – und aus seinem Sohn Umberto ist dann ein König der Bücher geworden. Als Autor, als Uniprofessor, als immenser Bibliotheksbesitzer. Und ein Bibliotheksgeheimnis spielt bekanntlich eine Schlüsselrolle in Umberto Ecos Weltbestseller „Der Name der Rose“.
Eine posthume, doch sehr lebendige Begegnung mit Eco, der 2016 mit 84 Jahren verstorben ist, und mit dessen Welt der Bücher hat beim Filmfestival in Rom im vergangenen Oktober der italienische Regisseur Davide Ferrario vorgestellt. Es ist die knapp 80-minütige Dokumentation „La Bibliotheca del Mondo“. Die deutsche Erstaufführung dieser „Bibliothek der Welt“ findet am heutigen Donnerstagabend im Italienischen Kulturinstitut in der Botschaft am Tiergarten statt.
Durchaus ein Ereignis, weil neben dem Regisseur auch Ecos Witwe, die deutsch-italienische Kunstwissenschaftlerin Renate Range-Eco, sowie Tochter und Sohn des Paars anwesend sind: zum anschließenden Gespräch mit Berlinale-Chef Carlo Chatrian. So lässt sich die Präsentation auch als ein Antipasto der kommenden Berlinale verstehen, wo der Film seinen Platz gleichfalls verdient hätte.
Bibliotheksgeheimnis ist Thema in „Der Name der Rose“
Davide Ferrario hat neue Aufnahmen in suggestivem Wechsel mit älteren Dokumenten verbunden, mit Eco-Interviews und familiären Szenen. Anfangs folgt die Kamera Eco selbst – durch viele Gänge in seiner Mailänder Wohnung, die in engen Fluren und weiten Zimmerfluchten, sich hinter Ecken öffnenden Sälen und Studios einem von Bücherwänden, Gemälden, Fotografien bewachten Labyrinth gleicht.
Es sind über 30.000 Titel, hinzukommen gut 1500 antike Drucke, Inkunabeln, Unikate. „Die Bücher bedeuten das Gedächtnis der Welt“, sie enthalten alle Realitäten, bis hin zur Magie, sagt Eco. „Sie sind die Vergangenheit und Gegenwart, ohne die es keine Zukunft gibt.“
Dabei ist der rundliche, bärtige Weltgelehrte als „uomo universale“ auch hier ein überaus gewitzter Erzähler. Eco hatte, noch bevor er in den 1960er Jahren mit seinem Klassiker „Das offene Kunstwerk“ bereits zum renommierten Semiotiker wurde, beim Fernsehen begonnen. Verstand sich früh auf Computer, liebte und beschrieb neben dem Hochgeistigen auch die Mythen der Alltagskultur, vom deutschen „Derrick“-Krimi bis zu Comics. Aber Handys? „Besitze ich, aber immer ausgestellt.“ Warum? „Weil ich alt genug bin, um das Recht zu haben, unerreichbar zu sein.“ Ecos Bibliothek gehört heute dem italienischen Staat, ihr filmisches Abbild aber sollte zumindest in Arthousekinos noch öfter zu sehen sein.
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