Münchens Bürgermeister will Windrad nahe dem Stadion bunt illuminieren
Das Münchner Stadion darf beim EM-Spiel der deutschen Mannschaft gegen Ungarn am Mittwoch nicht in Regenbogen-Farben beleuchtet werden. Die Europäische Fußball-Union Uefa lehnte am Dienstag einen entsprechenden Antrag des Münchner Stadtrats ab, der das Signal für Vielfalt und selbstbestimmte Lebensformen sexueller Orientierung gefordert hatte.
Zuerst hatte die „Bild“-Zeitung darüber berichtet. Die Uefa sei „aufgrund ihrer Statuten eine politisch und religiös neutrale Organisation. Angesichts des politischen Kontextes dieser speziellen Anfrage – eine Botschaft, die auf eine Entscheidung des ungarischen Parlaments abzielt – muss die Uefa diese Anfrage ablehnen“, teilte der Dachverband mit. Das bekräftigte am Nachmittag auch DFB-Interimspräsident Rainer Koch. „Da die Beleuchtung vom Münchner Stadtrat als eine gezielte Aktion gegen die Entscheidung des ungarischen Parlaments begründet worden ist, handelt es sich nicht mehr um ein bloßes Statement im gemeinsamen Kampf gegen jede Form von Diskriminierung, sondern um eine politische Aktion“, schrieb das deutsche Mitglied der Uefa-Exekutive bei Facebook.
Nachdem DFB-Torhüter Manuel Neuer bei den ersten beiden Spielen der Nationalmannschaft mit einer regenbogenfarbenen Kapitänsbinde aufgelaufen war, hatte die Uefa eine Überprüfung eingeleitet. Letztlich gab es aber keine Strafe für die nicht von der Uefa genehmigte Binde, da der Verband die dahinterliegende Botschaft als „good cause“ einstufte. Neuer will auch am Mittwoch mit der Regenbogen-Kapitänsbinde auflaufen.
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Die Münchner Arena wird nach der Entscheidung der Uefa wie vorgesehen in den Farben des Verbandes und der teilnehmenden Nationen leuchten. Die Uefa habe der Stadt München aber vorgeschlagen, das Stadion entweder am 28. Juni – dem Christopher Street Liberation Day – oder zwischen dem 3. und 9. Juli, der Christopher Street Day Woche in München, mit den Regenbogenfarben zu beleuchten.
Diesen Gegenvorschlag bezeichnete Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter als „lächerlich“. Der SPD-Politiker kritisierte die Uefa in einer Presskonferenz am Dienstagmittag scharf. „Wir werden uns in München nicht davon abhalten lassen, ein deutliches Signal nach Ungarn und in die Welt zu senden“, sagte Reiter und kündigte drei Maßnahmen für den Spieltag an: Das Rathaus werde mit Regenbogenflaggen versehen und ein Windrad nahe dem Stadion sowie der Olympiaturm „entsprechend illuminiert”.
Dies sei ein Zeichen für die Haltung Münchens, Bayerns und Deutschlands, „dass wir für Gleichberechtigung, für freie Selbstbestimmung, was die sexuelle Identität betrifft, und für Solidarität den Menschen gegenüber eintreten”. Reiter kritisierte in seinem Statement auch den Deutschen Fußball-Bund. „Ich finde es sehr enttäuschend, dass der DFB sich nicht dazu in der Lage sah, dieses Ergebnis zu beeinflussen.“ Die Stadt München habe keine Möglichkeit, die Beleuchtung des Stadions zu veranlassen, da dieses nicht der Stadt gehöre, sondern dem FC Bayern.
Auch viele weitere deutsche Politiker kritisierten die Entscheidung der Uefa. „Liebe Uefa, es ist nicht so, dass ich von euch viel erwartet habe. Aber ihr seid noch peinlicher als ich dachte. Schämt euch!“, schrieb SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil am Dienstagmittag auf Twitter. Sein Parteikollege und Gesundheitsexperte Karl Lauterbach kommentierte die Entscheidung ebenfalls kritisch. „Die Uefa will kein Zeichen für Weltoffenheit und Toleranz. Das ist eine Enttäuschung mehr. Es geht offenbar vornehmlich ums Geld.“
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte am Dienstag in Berlin vor der letzten regulären Sitzung der Unionsfraktion vor der Sommerpause, er hätte sich den Entscheid gut anders vorstellen können – auch „deswegen, weil ich empört darüber bin, was da wieder für eine Diskussion in Deutschland von Teilen der AfD losgetreten wird“, Eine andere Entscheidung wäre „auch ein Signal gegen vollkommen beschämende und unanständige Wortmeldungen von AfD-Vertretern bezüglich der Regenbogenfarben“ gewesen, sagte Dobrindt mit Blick auf Kritik aus den Reihen der Rechtspopulisten an der Regenbogen-Kapitänsbinde von Fußball-Nationaltorwart Manuel Neuer. Gegen solche Tendenzen müsse klar Flagge gezeigt werden.
Auch das Berliner Olympiastadion wird leuchten
Die Kanzlerkandidatin der Grünen, Annalena Baerbock, regte an, als Reaktion auf das Verbot der Uefa auf Twitter Regenbögen zu posten. „Für Toleranz. Gegen Homofeindlichkeit. Nicht nur, wenn es um Fußball geht. Lasst uns ein starkes Zeichen der Vielfalt setzen und den Regenbogen durchs Land tragen“, schrieb sie auf Twitter.
Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) Bayern forderte die Betreiber der Münchner Stadions und den Besitzer FC Bayern am Dienstag sogar auf, das Stadion am Mittwoch trotz der Ablehnung der Uefa in den Regenbogenfarben zu beleuchten. „Hier muss ein Zeichen gesetzt werden“, sagte Markus Apel, der Vorstand des LSVD Bayern. „Ich wünsche, dass sich die Betreiber des Stadions und auch der FC Bayern diesem Beschluss der Uefa widersetzen, in welcher Form auch immer“, sagte Apel. Er kündigte Protestaktionen vor der Arena an. „Die Uefa zeigt sehr klar, auf welcher Seite sie steht“, meinte Apel. „Sie steht nicht auf der Seite jener, die sich für eine vielfältige und faire Gesellschaft einsetzen, sondern auf der Seite derjenigen, die Vielfalt einengen und Menschen ihre Rechte aberkennen wollen.“
Andere Stadionbetreiber in Deutschland hatten schon am Montagabend auf den Bericht zur ablehnenden Haltung der Uefa reagiert. So sollen das Berliner Olympiastadion sowie die Fußball-Arenen in Frankfurt am Main, Köln und Wolfsburg am Mittwoch während der EM-Partie der deutschen Mannschaft bunt erstrahlen.
„Wenn München am Mittwoch nicht darf, dann müssen eben die anderen Stadien im Land Farbe bekennen. Auf jetzt, Kollegen in der Liga“, twitterte Eintracht Frankfurts Vorstandssprecher Axel Hellmann in der Nacht zum Dienstag.
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Der Frankfurter Klub-Boss kündigte an: Das Stadion „schaltet zum Spiel gegen Ungarn den Regenbogen an. Das Waldstadion bleibt bunt“. Der Betreiber des Olympiastadions antwortete bei Twitter auf die Frage verschiedener Hertha-Fans, ob sich auch Berlin an der Aktion beteilige: „Wir leuchten mit!“ Wenig später schloss sich auch die Mehrzweckhalle am Berliner Ostbahnhof, in der Spiele von Alba und Eisbären sowie Konzerte stattfinden, an.
Ähnliches wird auch in Köln passieren. Das bestätigten am Dienstagmorgen der 1. FC Köln und die Kölner Sportstätten. Zuvor hatte der WDR berichtet. Die Entscheidung sei „auf Initiative verschiedener Gruppen aus der Kölner Stadtgesellschaft“ gefallen. „Wir begrüßen das sehr. Köln und der FC stehen für Vielfalt und Toleranz“, sagte Kölns Geschäftsführer Alexander Wehrle: „Die Entwicklungen in Ungarn sind erschreckend – umso wichtiger ist es, ein Zeichen dagegen zu setzen.“
Ungarn reagierte verärgert auf das Vorhaben
Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) hatte sich in einem Schreiben an die Uefa und den Deutschen Fußball-Bund für eine Ausnahmegenehmigung stark gemacht, um „ein weithin sichtbares Signal für unser gemeinsames Werteverständnis“ zu senden. Er appelliere an die Uefa, „sich (…) nachdrücklich und sichtbar für Toleranz und Gleichstellung einzusetzen“, hieß es darin.
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Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) befürwortete die Aktion. Doch DFB, OK und Uefa konnten sich letztlich nicht dazu durchringen. „Die Uefa gibt ein einheitliches Stadiondesign vor. Und es gibt gute Gründe, dieses einheitliche Stadiondesign auch zu leben. Vielleicht muss man die Beleuchtung nicht unbedingt am Spieltag Mittwoch festmachen“, sagte DFB-Pressesprecher Jens Grittner am Montag dazu.
Zuvor hatte Ungarn verärgert auf den Plan zur Beleuchtung am Spieltag reagiert. „Es ist äußerst schädlich und gefährlich, Sport und Politik zu vermischen“, sagte Außenminister Peter Szijjarto nach Angaben der Nachrichtenagentur MTI. „Die historische Erfahrung zeigt, dass das eine schlechte Sache ist und allen voran die Deutschen wissen das genau.“
Die EU hat angekündigt, das ungarische Verbot der „Werbung für Homosexualität“ zu prüfen
Hintergrund des geplanten Protestes ist ein Gesetz in Ungarn, das die Informationsrechte von Jugendlichen in Hinblick auf Homosexualität und Transsexualität einschränkt und das erst am Dienstag vom ungarischen Parlament gebilligt wurde. Das Gesetz gilt als besonderes Anliegen von Ministerpräsident Viktor Orban. Die EU-Kommission hat bereits angekündigt, das umstrittene Gesetz zu prüfen. Entsprechend laut war die Forderung nach einem klaren Zeichen bei der Fußball-EM in Deutschland bei der Partie gegen die Magyaren geworden. (mit dpa)