Meister Eisbären am Limit: Verkrampft im Abstiegskampf
Es war ein Auftritt, an dem Thomas Bothstede kaum Freude haben konnte. In der größten Krise der jüngeren Klubgeschichte musste der Geschäftsführer der Eisbären am späten Samstagabend Honoratioren für eine Zeit entgegennehmen, die mit der sportlichen Gegenwart seines Klubs nichts zu tun hat.
Bei der Preisübergabe im Rahmen der Berliner Sportlerwahl nahm Bothstede in Vertretung den sogenannten Buddy Bären entgegen. Die etwas unförmig anmutende Trophäe für den zweiten Platz bei der Wahl zum Trainer/Manager des Jahres hatte eigentlich Aubin abgestaubt, der genauso wenig vor Ort war wie Siegertrainer Urs Fischer vom 1. FC Union.
Bothstede also musste eine Laudatio auf den Abwesenden halten und lobte Aubin ungebremst überschwänglich. Zwei Mal Meister mit den Eisbären zu werden, das ist oder besser war schließlich schon was. Klar, momentan laufe es nicht so gut bei den Eisbären, sagte der Geschäftsführer. Aber das Vertrauen in Aubin sei immer noch groß. Verhalten kämpferisch äußerte sich wenig später eine Delegation von Spielern des Meisters. Es waren diejenigen, die am Sonntag in Frankfurt nicht am Start sein mussten beim Auswärtsspiel in Frankfurt. Es gab das bronzene Bärchen, Platz drei bei der Mannschaft des Jahres und Verteidiger Eric Mik sagte: „Wir werden schon da rauskommen.“
Es kam anders, am Sonntag ging es erst einmal tiefer rein in die Krise. Die Eisbären spielten ihren bisherigen Saisonverlauf in einem Spiel durch. Sie kämpften hart beim Aufsteiger. Angefeuert in Frankfurt von rund 1500 mitgereisten Anhängern, führten sie verdient 1:0 bis kurz vor Schluss und zitterten sich dann doch nicht zu drei Punkten ins Ziel.
Den Ausgleich kassierten sie zwölf Sekunden vor Schluss, in der Verlängerung gab es flink das Frankfurter Siegtor und ein paar Stunden später zogen die Augsburger Panther mit einem Sieg gegen Nürnberg in der Tabelle an den Eisbären vorbei: Seit Sonntag steht der Meister auf Rang 14, einem Abstiegsplatz. Es ist ein tiefer Fall, dem die Berliner zur Zeit zu wenig entgegenzusetzen haben. Und das könnte fatal für sie sein.
„Wir würgen uns da einen ab, um ein einziges Tor zu schießen“, sagte Angreifer Frank Mauer nach der Niederlage von Frankfurt. „Der Sieg hätte uns gut getan, auch für die Moral. Jetzt stehen wir da mit einem Punkt, aber in unserer Situation ist das natürlich mickrig.“ Trainer Serge Aubin sagte gar: „Ich fühle mit den Spielern.“
Trainer Serge Aubin ist in einer Dauerfloskelschleife gefangen – zumindest nach außen.
Aber dann war es schon wieder an der Zeit, „nach vorne zu schauen“. Der Trainer ist längst in einer Dauerfloskelschleife gefangen, zumindest nach außen. Da bewegt er sich weniger als bei seinem Aufstellungen, da ist Musike bei Aubin drin: 32 Spieler Profis haben die Eisbären im Kader, 29 davon schon eingesetzt in 25 Spielen (es gibt sogar drei Ersatztorhüter hinter Tobias Ancicka und Juho Markannen, gespielt haben sie noch nicht) und ein Spieler (Marcel Barinka, gekommen zu Saisonbeginn) ist schon wieder weg.
Es gibt für die Berliner zum jetzigen Zeitpunkt der Saison kaum noch Möglichkeiten, herumzuschrauben. Gute deutsche Spieler sind kaum zu bekommen, aus dem Nachwuchs bietet sich der Heilsbringer auch nicht an und bei den Ausländerplätzen haben die Eisbären alles ausgereizt. Also bleibt nur noch: die Demission des Trainers. Und das könnte die Lösung sein.
Denn ein neuer Coach würde die Chemie im Team durcheinanderbringen, dann müsste sich die Belegschaft neu sortieren, würden Ordnungen und Hierarchien wackeln und so etwas kann gut sein: Iserlohn hat es mit dem Trainerwechsel und der Personalie Greg Poss gerade vorgemacht. Für ein paar Siege am Stück wäre so ein Trainerwechsel gut. Und nach ein paar Siegen hätte das Team schon noch das Potenzial nachzulegen. Denn mit einem besseren Tabellenplatz kommt das Selbstbewusstsein zurück.
„Das es nicht ewig so weitergehen kann, weiß jeder von uns. Wir reden viel mit dem Trainer, mit den Spielern. Die Jungs sind völlig verunsichert.
Thomas Bothstede, Geschäftsführer der Eisbären
Das Problem an der Situation ist: Sie ahnen bei den Eisbären in der Führung auch, dass so ein Trainerwechsel womöglich der Rettungsanker ist. Aber sie können eben nicht. Thomas Bothstede sagte dem Tagesspiegel: „Dass es nicht ewig so weitergehen kann, weiß jeder von uns. Wir reden viel mit dem Trainer, mit den Spielern. Die Jungs sind völlig verunsichert.“ Aber der Trainer stehe nicht zur Disposition.
Auf Abstiegskampf ist die Mannschaft nicht geeicht, das ist dem Geschäftsführer klar. „Aber wir haben hier erfahrene Spieler, ehemalige NHL-Spieler, Silbermedaillengewinner.“ Solche Spieler mussten doch einen Weg finden. „Wir müssen die Ruhe bewahren.“ Also nicht in die Kabine gehen und rumschreien oder plötzlich Menschen aus der Führung mit den zu den Auswärtsspielen schicken.
Sportdirektor Stéphane Richer ist zur Zeit in der Zentrale beim Eigner in den USA – angeblich aber nicht wegen der aktuellen Situation
Stéphane Richer durfte übrigens zuletzt auch nicht zum Auswärtsspiel. Der Sportdirektor ist zur Zeit in der Zentrale beim Eisbären-Eigner Anschutz in Los Angeles. Nicht zum Rapport, sondern wie jedes Jahr zum allgemeinen Termin sei der Richer in den USA, sagt Bothstede. „Aber natürlich kommt da auch die jetzige Situation zur Sprache. Ich bin mit Stéphane auch in Kontakt, wir sprechen täglich.“
Abstiegskampf ist für die Klubs der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) ungewohntes Terrain. Das gab es seit der Saison 2005/06 nicht mehr und früher schieden auch oft die aus, die finanziell nicht mehr konnten. Aber nun ist die Situation ernst: In der DEL2 wollen einige Teams nach oben. Unbedingt. Vergangene Saison erwischte es nach der Wiedereinführung des Abstiegs die Krefeld Pinguine.
Diesmal müssen nach Lage zwei Teams daran glauben, weil die Liga ihre Teilnehmerzahl wieder von 15 auf 14 reduzieren will. Bietigheim ist als Tabellenletzter schon relativ weit entfernt von den Eisbären, Augsburg mit Aufwärtstrend nun punktgleich mit den Berlinern und das bei einem Spiel weniger.
Am kommenden Wochenende treten die Eisbären gleich zwei Mal in Berlin an, am Freitag gegen Bremerhaven, am Sonntag kommt Ingolstadt. Eine Gelegenheit für den Befreiungsschlag, Bothstede nimmt allerdings den Druck raus. Die wichtigen Spiele kommen danach, gegen Iserlohn, Schwenningen und Augsburg. „Denn das sind nun unsere direkten Konkurrenten“, sagt Thomas Bothstede, Geschäftsführer des aktuellen deutschen Eishockey-Meisters.
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