Das Leben als nostalgische Reise
Nach einem halben Jahrhundert noch immer als besonders rare Luxusware zu gelten, ist an sich schon eine beeindruckende Leistung. Die Auftritte der 12 Cellisten waren stets dem Orchester-Alltag der Berliner Philharmoniker abgetrotzt, die ohne ihre warm und immer auch etwas melancholisch singende Streichergruppe weder proben noch auftreten können. Es ist ein Nischenglück, das mit dem Jubiläumskonzert in der Philharmonie gefeiert wird. Die Cellist:innen teilen dabei einen leidenschaftlich erkämpften Freiraum, in dem es möglichst unverkrampft zugehen soll, ohne Berührungsängste vor Jazz- und Filmmusikklängen.
Dieser Ruf der 12 mag auch zu einem staunenswert jungen Publikum geführt haben, dem dann ins Ohr gehaucht werden muss, was es mit „Spiel mir das Lied vom Tod“ auf sich hat. Morricones legendärer Soundtrack entfaltet auf zwölf mal vier Saiten grandiose Kraft und irrwitzigen Drive. Celli können intensiver heulen als jede Mundharmonika!
Doch von Anfang an: Da stehen Werke auf dem Programm, mit denen vor 50 Jahren alles begann, als Rudolf Weinsheimer seine Kollegen zum Spiel im Dutzend begeisterte. Der heute 90-jährige Vater der 12 verfolgt das Jubiläumskonzert per Digital Concert Hall von zu Hause aus.
Mit ihm sitzen auch viele japanische Fans der Formation um vier Uhr früh Ortszeit vor ihren Computern. Auch an sie ergeht ein Extragruß, gefolgt von einer fein hingetupften Version einer populären japanischen Melodie. Einst spielten die 12 Cellisten vor dem Kaiserpaar. Heute sind immerhin die Herren Schäuble, Lammert und Lederer zugegen.
Diese Stücke will man live erleben
Unweigerlich gerät der Weg durch die ein halbes Jahrhundert währende Suche nach geeignetem Repertoire auf nostalgische Bahnen. Das hat natürlich mit dem warmen Klang des Cellos zu tun, das immer wie von einer Schallplatte klingt, weit entfernt von digitaler Übertragung. Und auch damit, dass die größten Hits der 12 Cellisten doppelt betagt sind. An die genialen Arrangements des 2010 verstorbenen Komponisten Wilhelm Kaiser-Lindemann von Gershwin und Ellington reicht wenig heran. Wie viel Klangsinnlichkeit, Spielwitz und rhythmische Durchtriebenheit sind hier zu bestaunen! Diese kunstvoll direkt auf ihre Finger drapierte Musik wirkt streckenweise gelöster als die 12 Cellisten selbst bei ihrem Jubiläumsauftritt.
Vielleicht steht das Musizieren aus reiner Freude gerade unter keinem guten Stern, vielleicht braucht es freiere Luft, um diesen puren Luxus ganz genießen zu können. Und vielleicht auch irgendwann ein neues Repertoire. Bevor es aber soweit ist, entfaltet sich mit zart-sentimentalem Schwung der Himmel von Paris, schleicht ein rosarotes Raubtier durch die Sitzreihen und regnen Rosen für alle herab – wunderschön und um ihre Vergänglichkeit wissend.