Daten aus Kryptohandy nicht zu verwerten, wäre ein Schlag für jede Strafverfolgung
Eine Schockwelle rauscht durch Staatsanwaltschaften und Polizei. Der Beschluss einer Richterin des Berliner Landgerichts, im Verfahren gegen einen mutmaßlichen Drogendealer dürften Daten aus einem Kryptohandy der Firma EncroChat nicht verwertet werden, weckt Sorgen über die Stadt hinaus.
Befürchtet wird, dass nun in vielen Fällen Kriminelle davonkommen, die über das Gerät von EncroChat ihre Geschäfte abgewickelt haben. So würde ein großer Erfolge der Kooperation europäischer Strafverfolger gefährdet.
Der französischen Polizei war es 2020 mit Kollegen aus den Niederlanden und Belgien gelungen, in verschlüsselte Netze der organisierten Kriminalität einzudringen.
Die Daten aus den Geräten von EncroChat wurden auch an deutsche Ermittler weitergereicht, es folgten Strafverfahren. Droht nun hierzulande der Abbruch der vielversprechenden Jagd auf Schwerverbrecher?
Schon das Berliner Kammergericht kann anders entscheiden
Ganz so schlimm wird es wohl nicht kommen. Die Berliner Staatsanwaltschaft wird sich ans Kammergericht wenden, die nächsthöhere Instanz. Dass die Richter dort eine andere Sicht auf den EncroChat-Komplex haben, ist keineswegs auszuschließen.
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Dafür spricht, dass die Oberlandesgerichte in Bremen, Hamburg und Rostock die Erkenntnisse aus den gehackten Kryptohandys durchaus für verwertbar hielten. Schon die Verwendung eines Geräts der Firma EncroChat deute „auf ein konspiratives Verhalten zur Begehung und Verdeckung von Straftaten hin“, heißt es im Beschluss des OLG Rostock gegen die Haftbeschwerde eines Beschuldigten, der mit Drogen gehandelt haben soll.
Dass nun das Berliner Kammergericht die Lage anders wertet als die Kollegen in Bremen, Hamburg und Rostock, wäre eine Überraschung. Vergangene Woche hat zudem das Landgericht Magdeburg zwei Dealer zu hohen Haftstrafen verurteilt. Die Angeklagten hatten ihre Geschäfte über die Handys von EncroChat betrieben.
Da wirkt die Richterin des Berliner Landgerichts einsam mit ihrer Ansicht, das Spezialhandy dürfe genauso wenig Anlass für ein Verfahren sein wie eine Brechstange bei einer Person für den Verdacht, es sei ein Einbruch verübt worden.
Die Skrupel der Richterin sind prinzipiell bedenkenswert. Ein Beschuldigter muss sich darauf verlassen können, dass eine Strafkammer nicht alles durchwinkt, was Ermittler präsentieren. Bei den Handys von EncroChat ist allerdings die Wahrscheinlichkeit eines kriminellen Hintergrunds hoch.
Sorgen machen müssen sich Staatsanwaltschaft und Polizei erst, sollte auch das Kammergericht den aktuellen Fall so restriktiv bewerten wie die Kollegin am Landgericht. Dann wäre die Signalwirkung weit größer. Wie auch die Gefahr, dass sich die Justiz bundesweit beim Thema Encrochat-Handys verheddert.