Der Herr sprach aus himmlischen Klängen
Beim Musikfest hat er eine Carte blanche in den Taschen seiner Samtjoppe: Was immer John Eliot Gardiner und die von ihm gegründeten Ensembles für ihre Tourneen einstudiert haben, setzt Glanzpunkte bei der Eröffnung der Berliner Klassiksaison.
Es sind Wunder einer Vertrautheit, die die Sinne schärft. Seinen Monteverdi Choir gründete Gardiner 1964, die English Baroque Soloists 1978. Mit beiden Kollektiven hat er ein Programm erarbeitet, um eine Begegnung zu ermöglichen, die es real nicht gegeben hat.
Erfolgreich in Italien und Thüringen
Obwohl Bach und Händel im gleichen Jahr und nur wenige Kilometer voneinander entfernt geboren wurden, haben sie sich trotz dreimaliger Anläufe nie getroffen, zu unterschiedlich verliefen ihre Lebensbahnen.
Gardiner kombiniert zeitgleich entstandene Kantaten der Anfang Zwanzigjährigen. Händel war gerade unterwegs in Italien, um sich musikalisch auf den neuesten Stand zu bringen, Bach bewarb sich um eine Organistenstelle in Mühlhausen. Beide waren sie erfolgreich, der eine in Rom, der andere in Thüringen.
Den Auftakt setzt Händels jubelnde Marien-Kantate „Donna, che in ciel di tanti luce splendi“. Gardiner arbeitet hier mit feinem Schwung heraus, welche Klangmischungen Händel später in seinem „Messiah“ zum Oratoriengipfel führen wird. Die Mezzosopranistin Ann Hallenberg schwingt sich ganz auf das Orchester ein, dem sie eine weitere Linie hinzufügt. Und als im letzten Satz erstmals der Monteverdi Choir seine Stimmen erhebt, gewinnt der Abend eine Unmittelbarkeit, der man sich nicht entziehen kann.
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Gardiner schließt mit Bachs „Christ lag in Todesbanden“ auf einen Text Martin Luthers an – mit einer Intensität, in der festgefügte Form und Freiheit des Ausdrucks keine Gegensätze mehr sind. Allein die wechselnden Schattierungen, in die der Chor das „Halleluja“ am Ende jedes Satzes taucht, erzählen die ganze Menschengeschichte von Furcht und Tod, Hoffnung und Erlösung. Gardiner, der aufrecht und mit fließenden Bewegungen auf die 80 zuschreitet, spielt wie nebenbei seine Bach-Autorität aus.
Nach einer Umbaupause, in der das Publikum still auf den Plätzen verharrt, folgt Händels „Dixit Dominus“. Das Wechselspiel zwischen eingekerbten Akzenten, rhythmischem Drive und herben Tonreibungen: überwältigend.