Fitnessprogramm für die Füße
Die drei Musiker:innen auf der Bühne des Deutschen Theater stimmen am Ende ihres Sets noch „Give Peace a Chance“ an. Minutenlang wiederholen sie den berühmten Refrain von John Lennon und Yoko Ono und wollen gar nicht nicht aufhören. Die HAU-Intendantin Annemie Vanackere wartet am Bühnenrand auf ihren Auftritt.
Ihrer Rede zur Eröffnung der Tanzplattform Deutschland stellt sie dann die Frage voran: Soll man in diesen Kriegszeiten überhaupt so ein großes Treffen veranstalten? Die Kulturinstitutionen stehen unter Rechtfertigungsdruck. Doch Vanackere betont: „Genau jetzt brauchen wir friedvolle Zusammenkünfte.“
Auch Kultur-Staatsministerin Claudia Roth verurteilt den Krieg mit deutlichen Worten. In diesen Tagen gebe uns der Tanz den Glauben an die Vielfalt menschlicher Ausdrucksweisen zurück, sagt die Grünen-Politikerin. Das dürften die vielen Fachbesucher:innen, die aus ganz Deutschland angereist sind, gern gehört haben.
Schuhplatter von einem Kanadier
Zum Auftakt des Festivals, das von den Produktionshäusern getragen wird, wurde eine Performance aus München gezeigt. Was nicht zu übersehen war. In dem 30-minütigen Solo „Tanzanweisungen“ steht der kanadische Tänzer Daniel Conant in Turnschuhen und Fitness-Dress auf der Bühne. Er schlägt sich mit der Hand auf Schenkel und Schuhe, stampft mit den Füßen den Rhythmus – es ist wirklich ein Schuhplattler, der hier gezeigt wird. „It won’t be like this forever“ steht dann auf dem Schild, das der Choreograf Moritz Ostruschnjak über die Bühne trägt. Mit diesem ironischen Verweis beginnt die Collage aus ganz heterogenen Bewegungsformen, die manchmal
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Nur kurz darf er verschnaufen, wenn „Sounds of Silence“ von Simon and Garfunkel gespielt wird. Wie ein aufgezogener Tanzroboter fegt er dann wieder über die Bühne. Steigert sich in eine Raserei, wenn eine kurze Passage aus Strawinskys „Sacre du printemps“ erklingt. Und übt dann wieder wie ein Musicaldarsteller seine Steps, Kicks und Turns ein. Conant hechelt durch den stilistischen Kanon wie durch ein schweißtreibendes Fitnessprogramm. Die Bewegungen folgen keiner Logik, keiner homogenen Ästhetik, sie widersprechen und ironisieren sich gegenseitig. Mit „Tanzanweisungen“, entstanden im ersten Lockdown als Kooperation mit der Bayerischen Staatsoper, hat Moritz Ostruschnjak eigentlich eine Anti-Choreografie geschaffen.
Der Abend endet mit einer wortwörtlichen Tanzanweisung der NDW-Band DAF: „Tanz den Mussolini, tanz den Adolf Hitler …“ Am Ende gab es viel Jubel für Daniel Conant, der nicht nur durch seine athletische Kondition beeindruckte.