FC Barcelona zwischen Realität und Wunschdenken: „Werden dieses Jahr noch etwas holen“
Wenn der FC Barcelona bei der SSC Neapel antritt, darf ein Name nicht fehlen: Diego Maradona. Die spanische Zeitung „Sport“ widmete dem Argentinier, der einst der Versuchung der Katalanen ebenso wenig widerstehen konnte wie der Verführung der Neapolitaner, eine eigene Beilage. Das Stadion, in dem die Gäste aus Spanien antreten, trägt den Namen des 86er-Weltmeisters.
Eine Bühne wie gemacht für das, wonach sich auch Ilkay Gündogan im Dress der Katalanen sehnt. „Die Champions League bleibt für mich mein Lieblingswettbewerb und ich will auch diese Saison wieder so weit wie möglich kommen. Der FC Barcelona hat eine gewisse Historie in diesem Wettbewerb mit vielen magischen Nächten“, sagte der Kapitän der deutschen Fußball-Nationalmannschaft: „Solche Nächte will ich mit Barça ebenfalls erleben.“
Positiv und motiviert präsentiert sich vor dem schweren Achtelfinal-Hinspiel an diesem Mittwoch (21.00 Uhr/Dazn) auch Ex-Bayern-Torjäger Robert Lewandowski. Der Pole versprach den Fans vor wenigen Tagen Siege und Titel: „Es ist der perfekte Zeitpunkt, um damit anzufangen, viele Spiele zu gewinnen. Und wir werden sie gewinnen. Auch in der Champions League. Am Ende werden wir dieses Jahr noch etwas holen.“
Doch die Realität hat ihren Zauber längst verloren. Schon seit 2016 (2:0 beim FC Arsenal in London) gelang den Katalanen kein Auswärtssieg mehr in der Runde der besten 16 Teams der Königsklasse. Und in der aktuellen Spielzeit herrscht nach dem Liga-Titel der vorigen Saison wieder Tristesse vor: Im Pokal kam bereits im Viertelfinale das Aus, die Super Copa ging an Real Madrid. Und in der Primera División wirkt Barça eher wie der FC Bayern in der Bundesliga: Acht Punkte beträgt der Rückstand auf den Erzrivalen Real aus der Hauptstadt. Dazwischen liegt auch noch der FC Girona. Der kleine Nachbar, der nur rund 100 Kilometer nordöstlich von Barcelona beheimatet ist in einem Örtchen mit etwa 100.000 Einwohnern.
Im Dezember gewann eben dieser FC Girona in Barcelona mit 4:2 das Hinspiel in der Meisterschaft. Es war eine von bisher nur drei Niederlagen in La Liga, weitere sechsmal spielte die Mannschaft um Gündogan und den allerdings längere Zeit verletzten Nationalkeeper Marc-André ter Stegen oder auch Lewandowski nur remis.
So wie vor rund anderthalb Wochen beim 3:3 gegen den FC Granada. Ein Treffer des gerade mal 16 Jahre alten Lamine Yamal rettete die Gastgeber, die wegen des Umbaus des Camp Nou in dieser Saison im Estadi Olímpic Lluís Companys auf dem Montjuïc ihre Heimspiele austragen, vor einer noch größeren Blamage. Präsident Joan Laporta reichte es aber auch so schon: Medienberichten zufolge soll er ein Tablett mit Canapés vor „Wut und Hilflosigkeit“ (Sport) durch die Gegend gepfeffert haben.
Das Gefühl, Barça-Trainer zu sein, ist unangenehm, es ist grausam.
Barca-Trainer Xavi
Wohlfühlatmosphäre sieht anders aus. Wie es ist als Trainer des berühmten FC Barcelona, der seine Hochzeit unter Pep Guardiola und vor allem mit Lionel Messi erlebte, schilderte derjenige, der vorzeitig seinen Posten räumen wird. Einer, der eine Legende jenes Klubs ist, der sich so massiv verschuldete, dass er Messi im Sommer 2021 einfach nicht mehr finanzieren konnte und einen Umbruchversuch einleitete.
„Das Gefühl, Barça-Trainer zu sein, ist unangenehm, es ist grausam“, sagte Xavi Hernandez: „Man hat oft das Gefühl, respektlos behandelt zu werden, dass die eigene Arbeit nicht wertgeschätzt wird.“ Nach der 3:5-Heimpleite gegen den FC Villarreal hatte er angekündigt, bereits nach dieser Saison seinen Posten zu räumen – ein Jahr vor dem Ablauf seines Vertrages, nachdem er im November 2021 zum Chefcoach des FC Barcelona berufen worden war.
„Das ist eine schreckliche Belastung für die geistige Gesundheit und die Stimmung“, sagte er aber nach gut zwei Jahren im Amt: „Ich bin ein positiver Typ, aber wenn die Energie immer weniger und weniger und weniger wird, kommt der Punkt, an dem du dir sagst, es macht keinen Sinn mehr.“
Umgehend wurde Jürgen Klopp, der seinerseits nach dieser Saison beim FC Liverpool aufhören und erstmal durchatmen will, gehandelt. Oder Hansi Flick. Bei „Sport“ erinnerten sie schon an die Zeiten mit deutschen Trainern beim FC Barcelona: Hennes Weisweiler Mitte der 1970er- und Udo Lattek Anfang der 1980er-Jahre. Mittlerweile gilt der Italiener Roberto de Zerbi als Favorit.
Als sich Gündogan im Sommer vergangenen Jahres als Kapitän von Champions-League-Triumphator Manchester City für den Wechsel zum FC Barcelona entschieden hatte, dürfte er mit derartigen Turbulenzen nicht gerechnet haben. Vor dem Hinspiel im Achtelfinale der Meisterklasse, die die Katalanen zuletzt 2015 gewannen, gab sich der 33-Jährige, der diese Saison mit 36 Spielen der meist eingesetzte Barça-Profi ist und deshalb am Wochenende beim 2:1 in Vigo geschont wurde, aber kämpferisch: „Wir sind wohl eher in der Außenseiterrolle, aber unterschätzen sollte man uns definitiv trotzdem nicht.“