„The Woman King“ im Kino: Wakanda for Real

Vor vier Jahren war in Hollywood die Hoffnung groß, dass der überwältigende Erfolg von „Black Panther“ eine Stunde null für das amerikanische Kino bedeuten könnte. Mehr als alles andere war Ryan Cooglers Superheldenfilm mit einer rein schwarzen Besetzung aus allen Regionen der afrikanischen Diaspora ein kulturelles Phänomen, dessen Einfluss weit über die bloßen Umsatzzahlen an den Kinokassen hinaus reichte. Der Schlachtruf „Wakanda Forever“ stand in der Tradition von „Black is Beautiful“, der nach „Shaft“ Anfang der 1970er kurz als Motto in der US-Filmbranche kursierte. Aber ein Kinofilm muss noch immer auch an der Kinokasse bestehen, um einen nachhaltigen Eindruck zu hinterlassen.

Blockbuster über ein afrikanisches Königreich waren bis vor Kurzem undenkbar

Als die Idee zu „The Woman King“ erstmals an die Schauspielerin Viola Davis herangetragen wurde, gab es weder einen „Black Panther“ noch eine #OscarsSoWhite-Kampagne. Die Vorstellung eines Blockbusters über die Agojie, die stolzen Kriegerinnen, die im 19. Jahrhundert das westafrikanische Königreich von Dahomey (im heutigen Benin) verteidigten und in der Bevölkerung (sowie bei ihrem König) eine mythische Stellung genossen, wäre noch vor wenigen Jahren undenkbar gewesen.

Der Erfolg von „Black Panther“ hat maßgeblich mit Gina Prince-Bythewoods „The Woman King“ zu tun. Die Regisseurin hat einen ähnlichen langen Marsch durch die Institutionen hinter sich wie ihr Film; die Agojie – seit Jahrzehnten schon ein Popkultur-Phänomen – dienten auch als Vorbild für die Dora Milaje, die Leibgarde des Königs von Wakanda aus den Marvel-Comics.

Einen Superheldinnenfilm wollte Prince-Bythewood allerdings nicht drehen; sie hat bereits mit der Netflix-Produktion „The Old Guard“ die nötige Erfahrung für einen Fantasy-Actionfilm dieser Größenordnung gesammelt. Bei „The Woman King“ steht ohnehin mehr auf dem Spiel als nur das Einspielergebnis. Hauptdarstellerin Viola Davis, die auch als Produzentin fungiert, hat es in einem Interview sehr deutlich formuliert: „Wer jetzt nicht ins Kino geht, gibt damit nicht nur zu verstehen, dass er diesen einen Film nicht sehen möchte. Sondern, dass er diese Art von Filmen nicht sehen will.“ Und das, obwohl „The Woman King“ mit einem Budget von gut 50 Millionen Dollar – und der Starpower von Davis – noch relativ kostengünstig ist.

Gleich die Eröffnungssequenz stellt ziemlich unverblümt die Bezugsgrößen von Prince-Bythewood klar. Die Agojie greifen unter der Führung der Generälin Nanisca (Viola Davis) in einem nächtlichen Hinterhalt ein Dorf der Mahi an, die eine Gruppe von Frauen aus Dahomey entführt haben, um sie an die weißen Kolonisatoren zu verkaufen. Der Angriff, der keinen Raum für eine Exposition lässt, ist furios inszeniert, die Regisseurin will ihren Film in einer Ahnenreihe mit „Braveheart“ und „Gladiator“ verstanden wissen: klassisches Spektakelkino über eine wahre (fiktionalisierte) Geschichte, an der Hollywood sehr lange kein Interesse zeigte.

Kampfbereit. Die Adjutantin Amenza (Sheila Atim), Izogie (Lashana Lynch) und die junge Nawi (Thuso Mbedu, von rechts).
Kampfbereit. Die Adjutantin Amenza (Sheila Atim), Izogie (Lashana Lynch) und die junge Nawi (Thuso Mbedu, von rechts).
© Foto: Sony Pictures

Was „The Woman King“ trotz kleinerer dramaturgischer Konzessionen zusammenhält, ist neben den Action- und Kampfszenen die Solidarität zwischen den Frauen, die allen gesellschaftlichen Schichten (und anderen Ethnien) entstammen. Auch Dahomey ist unter seinem frisch gekrönten König Ghezo (John Boyega) mit dem Sklavenhandel reich geworden; ein Widerspruch, den Prince-Bythewood und Drehbuchautorin Dana Stevens in den Mittelpunkt ihres Historienfilms stellen.

Das Patriarchat unter dem Polygamisten Ghezo wartet schon länger auf eine Kpojito, eine ebenbürtige Regentin an seiner Seite. Nanisca hat keine Herrschaftsambitionen, sie will aber den Menschenhandel beenden, mit dem die afrikanischen Herrscher auch die Macht der Europäer sichern. Sie schlägt stattdessen vor, den Handel mit Palmöl auszubauen.

Eine Produktion wie „The Woman King“ benötigt heutzutage natürlich so eine progressive Haltung. Prince-Bythewood und Stevens geben ihrer Geschichte aber das Nötigste an Zwischentönen, um das historische Dahomey als fortschrittliche Gesellschaft zu beschreiben – stets in dem Bewusstsein, dass auch die afrikanischen Herrscher von der Sklaverei in Amerika profitierten.

Den politischen Kontext in den 1820ern, als vor allem Portugal Handel mit Dahomey betrieb, illustrieren ein paar Figuren, neben Ghezo und Nanisca der portugiesische Menschenhändler Santo Ferreira (Hero Fiennes Tiffin) und sein Partner Malik (Jordan Bolger), dessen Mutter einst aus Dahomey verkauft wurde. „The Woman King“ aber muss, auch als Leuchtturm für künftige Projekte, andere Schwerpunkte setzen.

(In 17 Berliner Kinos)

Gina Prince-Bythewood begann ihre Karriere vor zwanzig Jahren mit der Romantic Comedy „Love And Basketball“, heute ein Klassiker des New Black Cinema. Sie und Davis sind Wegbegleiterinnen, mit „The Woman King“ bereiten sie einer neuen Generation die Bühne. Zum Beispiel der Britin Sheila Atim in der Rolle der Adjutantin Amenza; oder der bereits aus dem letzten Bond-Film bekannten Lashana Lynch als Whiskey-trinkende Kämpferin Izogie, deren Geheimwaffe ihre Fingernägel sind.

Sie alle werden aber überschattet von der südafrikanischen Schauspielerin Thuso Mbedu in der Rolle der „schlechten Tochter“ Nawi, die von ihrem Vater vor dem Königspalast abgesetzt wird, weil sie lieber kämpfen statt heiraten möchte. Die schmächtige Mbedu (aus Barry Jenkins’ „Underground Railroad“), spielt nicht nur – wie alle ihre Kolleginnen – ihre Kampfszenen selbst, sie verleiht dem Film auch, wenn er mal zur Ruhe kommt, emotionales Gewicht. Es wird Zeit, dass „schwarze“ Blockbuster aus Hollywood mehr als bloß Schaufenster für talents , wie es in der Branche heißt, sind. „The Woman King“ macht einen Anfang.

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