„Der Bauer und der Bobo“ im Kino: Missverständnisse unserer Zeit
Der Begriff Bobo (Bourgeoiser Bohemien) wird in Österreich gerne abschätzig für das linksgrüne Bionade-Bürgertum verwendet. Als „Bobo“ wird auch Florian Klenk vom Landwirt Christian Bachler im Internet beschimpft. Der Chefredakteur des Magazins „Falter“ hatte ein Gerichtsurteil gegen einen Bauern verteidigt, dessen Kuh eine Touristin angegriffen hatte. So beginnt der berührende Dokumentarfilm „Der Bauer und der Bobo“ von Kurt Langbein.
Der Bauer im Film ist der gewitzte Christian Bachler, als „Wutbauer“ hat er in den sozialen Medien bereits Legendenstatus. In seinem Video wirft er dem „Zeitungsschreiber“ auch vor, keine Ahnung von landwirtschaftlicher Realität zu haben. Und lädt ihn ein, eine Woche Praktikum bei ihm auf dem Tocklerhof zu machen. Und Klenk nimmt tatsächlich an, fährt in die Steiermark. Der Bauer führt den Bobo über den Hof, der auf 1450 Metern Höhe liegt, und seine Weiden. 15 Tierrassen hält er, unter anderem auch Bergschweine, eine alte, fast ausgestorbene Rasse, und Yaks, die auf dieser Höhe bestens gedeihen.
Lektion über die Produktionsbedingungen in der Landwirtschaft
Klenk fragt neugierig nach und bekommt (wie die Zuschauer) gleichzeitig eine Lektion über die schwierigen Produktionsbedingungen und die soziale Realität der heutigen Bauern. Es sieht nicht gut aus für die bäuerliche Landwirtschaft, erzählt Bachler, dem vieles zu schaffen macht: Klimawandel, der Trockenheit und Erdrutsche verursacht, globaler Handel und die Agrarindustrie, die die Preise kaputt machen, absurde EU-Verordnungen, und Verbraucher, die lieber „billigen Schrott“ kaufen als für gute Qualität mehr zu zahlen.
Dazu kommt: Die Landflucht macht die traditionelle dörfliche Infrastruktur obsolet, sogar größere Dörfer haben nicht einmal mehr einen Lebensmittelladen oder ein Wirtshaus, wo man sich treffen könnte.
Die Sympathie zwischen Bachler und Klenk ist spürbar, der Umgangston wird immer herzlicher, die beiden frotzeln sich noch immer an, so beginnen Freundschaften. Beim Gegenbesuch bei den „Bobos“ in der Wiener Falterredaktion sieht der Bauer, wie auch der Alltag der Konsumenten durch die Lebensmittelindustrie beeinflusst wird, und dass auch viele der „Städter“ durchaus eine Veränderung wollen.
So könnte ein Film enden. Doch dass die Lage noch viel ernster ist, erfährt Florian Klenk Monate später aus dem Internet: Sogar der geschäftstüchtige Christian Bachler, der mit nachhaltiger Landwirtschaft, alten Rassen und eigener Onlinevermarktung gegen den Trend setzt, gerät durch alte Bankschulden in die Insolvenz. Der Journalist Klenk wird nun selbst aktiv und organisiert ein Crowdfunding für den Bauern, um dessen Lebenswerk, den Hof zu retten, die Reaktion der Öffentlichkeit ist unglaublich. Filmemacher Kurt Langbein ist ein guter Beobachter, die allmähliche Annäherung der anfangs so unterschiedlichen Protagonisten wird zu einem beeindruckenden Plädoyer fürs Zuhören, Lernen und Miteinanderreden.
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