Start der WM gegen Bulgarien: Die deutschen Volleyballerinnen sind ganz schwer auszurechnen

Sieben Wochen Trainingslager sind eine ganz schön lange Zeit. Vor allem, wenn man sie in Kienbaum verbringen muss – irgendwo im Nirgendwo. „Berlin ist eine ganze Stunde entfernt“, empörte sich Volleyball-Bundestrainer Vital Heynen, „und das nächste Bier ist mindestens fünf Kilometer weit weg.“ Der Verband dürfe ihn im kommenden Jahr gerne wieder ins Trainingslager einladen, „aber bitte nicht nur nach Kienbaum.“

So missmutig der Bundestrainer sich in Bezug auf den abgeschiedenen Trainingsort anhörte, so erwartungsvoll klang er, als er auf die Weltmeisterschaft in Polen und den Niederlanden zu sprechen kam, die an diesem Freitag beginnt: „Endlich dürfen wir anfangen.“ Auch Kapitänin Jennifer Janiska ist nach dem „kleinen Lagerkoller jetzt wirklich motiviert“.

Den letzten Härtetest vor dem Turnier meisterte ihr Team mit Bravour und bezwang überraschend den Olympiazweiten Brasilien im Tiebreak. Das sah zu Beginn des Sommers noch etwas anders aus: Da beendete das Team die Nations League mit gerade einmal vier Siegen und acht Niederlagen, belegte damit den zehnten Platz unter 16 Teams.

Die Zeit in Kienbaum nutzte Heynen deshalb für neue Trainingsmaßnahmen. „Bei der Vorbereitung standen das Zusammenspiel und das Zusammenfinden auf dem Programm“, sagt Janiska.

Heynen, der zu den international renommiertesten Trainern gehört, wurde zu Beginn des Jahres neuer Bundestrainer. Der Belgier ist hierzulande kein Unbekannter. Von 2016 bis 2019 coachte er den Bundesligisten VfB Friedrichshafen und war außerdem Trainer der deutschen und polnischen Männer-Nationalmannschaft, mit denen er bei den Weltmeisterschaften Bronze und Gold holte.

„Ich sage es mal so: Ich habe zweimal WM gespielt und zweimal Medaillen geholt“, sagt Heynen und lacht. „Das ist gar kein Druck, sondern nur eine Information.“ Druck empfindet zumindest Außenangreiferin Lena Stigrot nicht, sie sieht sich und ihre Mitspielerinnen eher „als Schwämme, die das Vertrauen aufsaugen“, das Heynen in sie steckt.

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Wochen dauerte das Trainingslager in Kienbaum.

Heynen zeigt sich besonders vom Teamgeist der Spielerinnen beeindruckt. Um diesen zu stärken, durchmischte er in Kienbaum sogar die Zimmeraufteilung, „damit sich auch mal Alt und Jung ein Zimmer teilen“. Nur jetzt, kurz vor dem Turnier, sei das Team wieder zur klassischen Aufteilung zurückgekehrt, sagt Heynen. „Und wenn sie das erste Spiel gewinnen, lasse ich das auch so.“

Mit einer klaren Zielsetzung für die WM hält er sich noch zurück, er hat das langfristige Ziel vor Augen: „In drei Jahren wieder bei Olympia dabei zu sein.“ Die letzte Teilnahme liegt 18 Jahre zurück.

Wir haben sozusagen 14 Joker.

Bundestrainer Vital Heynen

Für die deutschen Volleyballerinnen geht es am Sonntag als erstes gegen Bulgarien (19 Uhr/ Sportdeutschland.tv). Danach stehen Kanada und Kasachstan, aber auch Olympiasieger USA und Weltmeister Serbien auf dem Programm. Auf die Frage, was sein Team gegen Bulgarien beachten soll, will Heynen keine klare Antwort geben, er verfolgt eine andere Herangehensweise: „Wichtiger ist es, ein Konzept zu haben, das man leicht an den jeweiligen Gegner anpassen kann.“

Und dieses Konzept beruht maßgeblich auf der Breite des Kaders und der Qualität im Angriff. Insgesamt fünf Außenangreiferinnen fahren zur WM, darunter die 31-jährige Laura Emonts vom SC Potsdam, die das Team mit ihrer Erfahrung unterstützen soll. Dafür sind nur drei Mittelblockerinnen eingeplant.

Für eine kleine Überraschung sorgte Heynen, als er kurz vor Beginn des Turniers auf Mittelblockerin Anastasia Cekulaev verzichtete und sich für Monique Strubbe entschied. „Monique hat sich das erkämpft, sie hat unglaublich hart gearbeitet, als sie bei der Nations League gemerkt hat, dass sie hinter Anastasia war.“

Eine Stammsechs gibt es nicht, entsprechend schwer wird es für die Gegnerinnen, sich auf das deutsche Nationalteam vorzubereiten. „Wir haben sozusagen 14 Joker“, sagt Heynen. Es sei ein guter Mix aus „jung und wild“ und „ruhiger und erfahren“. Den größten Verlust dürfte Ex-Kapitänin Louisa Lippmann darstellen, die ihre sportliche Karriere bei der Nationalmannschaft beendet hat.

Auch Janiska sieht die Stärke ihres Teams in der Breite. „Wir sind eine Wundertüte, es kribbelt und juckt so in den Fingern“, sagt sie, „und es macht Spaß zu wissen, dass man so breit aufgestellt ist und den Gegner ärgern kann.“ Ob die Tüte am Ende knallt, wird sich zeigen. Sollte den Deutschen aber ein Sieg gegen Bulgarien gelingen, dürften auf jeden Fall die Kronkorken knallen.

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