Letztes Konzert von Martin Grubinger: Der Schlagzeuger beendet seine Karriere

Wieder mal Neues in der Philharmonie! Daníel Bjarnasons Schlagzeugkonzert, erst im letzten November aus der Taufe gehoben, hat Schlagzeugikone Martin Grubinger zwei letzte Konzerte in Berlin beschert. Mit seinem 40. Geburtstag schließt der „Akrobatikvirtuose“ eine beispiellose Bühnenlaufbahn ab und bricht mit dem furchtbaren „Spielen bis zum Umfallen“-Trend prominenter Kollegen.

Der schon früh geplante Abschied ist nachvollziehbar: Grubingers Performances fordern geistige und physische Höchstleistungen, zumal zumeist ohne Noten bestritten. Der Österreicher hinterlässt ein großes Erbe, hat er doch die Figur des modernen Multi-Perkussionisten begründet. Das wenige Dekaden junge, neue Genre des Schlagzeugkonzerts wurde erst durch ihn mit über 30 neu-aufgeführten Werken im Konzertwesen etabliert. Fortan wird Grubinger weiter als Lehrer am Mozarteum Salzburg wirken.

Die Zugabe „hat nix mit Musik zu tun“

Am Samstag wirkte nichts wie ein (vor)letztes Konzert. Grubinger sprüht vor Agilität und zeigt, was einen großen Solisten fernab von technischer Akrobatik ausmacht. Er kann mit dem Publikum, erklärt spaßig, seine Zugabe sei „Sport“ und habe „nix mit Musik zu tun“. Die Improvisation und Paradiddle-Lecture auf dem „Marching Drum“ vermag mit viel Augenzwinkern und Zwischenrufen fast Reminiszenzen an eine ausgestorbene Konzertkultur wecken, die den Saal lautstark jubelnd aus den Sitzen hebt.

Wie treffend entfaltete sich zuvor die dämonische Virtuosität des „Urmusikers“ in Bjarnasons Schlagzeugkonzert mit dem Beinamen „Inferno“. Für den isländischen Komponisten „tanzt und singt (der Protagonist), während die ganze Welt um ihn her zusammenbricht.“ Neben den musikalischen bestechen vor allem die performativen Reize. Die bestaunenswerte Armada von Perkussionsinstrumenten, aus der Grubinger ein Spektrum von aparten Klangschleiern bis hin zu Klatschen, Dröhnen oder Kreischen entfesselt, wird durch die üppig besetzte Schlagwerkgruppe ins Orchester getragen. Nach dem ersten Satz, der von Marimba und Txalaparta, ein baskisches Klangbalkeninstrument, dominiert wird, stellt der zweite ein opulentes Paukentrio aus.

Das Schlagzeugkonzert trägt den Beinamen „Inferno“

Reich bedacht mit musikalischen Bezügen, bringt das kurzweilige Stück, das sicherlich einen wohlverdienten Platz im Repertoire erhalten wird, neben Anklängen an Saint-Saëns, einen neoklassizistischen Strawinsky, aber auch Nils Frahm oder Max Richter, ein Choralfinale mit „Dies irae“-Zitaten.

Das Infernalische bleibt mit der schroff gesetzten Originalfassung von Mussorgskis „Eine Nacht auf dem kahlen Berge“ über die Pause hinaus erhalten. Andris Poga leitet das Deutsche Symphonie-Orchester mit einer selbst erstellten Kompilation der Ballettsuite „Romeo und Julia“ von Prokofjew souverän in den Dienstschluss.

Der gebürtige Lette bringt damit zwei russische Komponisten auf die Bühne: eine schätzenswerte Geste in Zeiten der omnipräsenten Cancel-Culture des Kulturbetriebs. Das DSO wird wieder mal nicht nur dem Anspruch an zeitgenössische Programmkultur gerecht, sondern kann in vertrauter musikalischer, jugendlich-spritziger Qualität auftrumpfen.

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