Ist in Norwegen Europas bestes Stadtfestival?: Das Øya-Festival in Oslo

Es gab eine Zeit, so kurz vor Corona, da sollte auch in Deutschland plötzlich alles ganz besonders „hygge“ sein. Bedeutet: Gemütlichkeit in der Wohnung, im Genuss, in der Musik.

Der Trend ist vorübergegangen, wie das mit Trends halt so ist. Außerdem hatten wir alle dank Corona ja erstmal auch anderes zu tun. Reist man heute nach Oslo, oder nach Norwegen generell, dann merkt man allerdings: Im Epizentrum der skandinavischen Hyggehaftigkeit geht es immer noch konsequent entspannt zu. Mit eben jener Grundhaltung werden hier nämlich auch Festivals organisiert. Etwa: Das Øya-Festival.

Das findet jährlich im Tøyen Park statt, im Nordosten Oslos, wo vor wenigen Jahren noch das Munch-Museum stand. Dieses hat jetzt am Hafen einen neuen Standort, während sich im Park eine knappe Woche lang alle treffen, die Lust auf Live-Musik und ein durchaus erstklassiges Line-Up haben.

Pulp für die Älteren, Janelle Monae für die Jüngeren

Indie-Helden der alten Schule wie Pulp, Jack White, PJ Harvey und Slowdive oder die legendären Air dürften den Älteren im Publikum zusagen. An der Pop-Front beherrschen Raye, Janelle Monae, Newcomerin Holly Humberstone oder Jessie Ware den Ton.

Natürlich spielen Pulp am Ende ihren 90er-Hit „Common People“

© Ole Christian Klamas

Besondere Erwähnung verdienen Big Thief, die Amerikaner beweisen immer wieder, dass sie nicht nur grandiose Songwriter sind, sondern auch eine fantastische Live-Band.

So gut, so gewöhnlich: Europas Festivals ähneln sich ja durchaus an gewissen Punkten; und die Acts, die gerade touren, kommen nun mal hier und da vorbei. Das Øya-Festival macht darüber hinaus aber so einiges sehr richtig, was es wiederum zu einer Besonderheit in der Festivallandschaft macht.

Damit ist durchaus auch die Anwesenheit eines präsent platzierten Foodtrucks mit den obligatorischen Zimtschnecken gemeint (Schlagwort „hygge“), vor allem aber die Tatsache, dass hier einige Hochkaräter auf den Bühnen stehen, Flair und Stimmung aber einer Veranstaltung von kleiner, intimer Größenordnung gleicht.

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Die Wege sind wahnsinnig kurz, vom Hauptbahnhof im Stadtzentrum zum Festival braucht man knappe 15 Minuten, vom Eingang bis zur Hauptbühne sind es allenfalls 7 Minuten. Die Bühnen sind so angeordnet, dass sie in den kleinen Tälern der Mini-Hügel des Parks liegen. Bedeutet: Selbst wenn man sich bei den besonders beliebten Acts kurz vor knapp entscheidet, dazukommen zu wollen, findet man einen Platz mit guter Aussicht.

Gummistiefel-Parade und schicker Strick

Natürlich ist das Wetter typisch nordisch: 18 Grad im Schatten sind eher das Maximum. Aber dafür kommt man bei Regen in den Genuss, sich eine besonders modische und ausgewogene Gummistiefel-Kollektion anzuschauen. Obenrum braucht es dann noch einen grob gestrickten Pulli und knallbunte Regenjacke und fertig ist der Oslo-Look. Der ist übrigens Unisex und kann auch auf ganze Familien angewendet werden.

Die sind hier auch zugegen: Man beobachtet etwa Väter, die versuchen, ihren Kids zu erklären, warum UK-Rapwunderkind Loyle Carner besonders hörenswert ist, während die Kleinen lieber schreiend im Kreis laufen und fangen spielen wollen.

Und auch das ist okay, keiner stört sich an ihnen, man macht Platz. So wie man sowieso allen Neuankömmlingen Platz macht, damit sie sich zu einem gesellen können. Ellbogengesellschaft vor den Bühnen gibt es hier jedenfalls nicht.

Raye sagt von sich selbst, sie eine „Drama Queen“ und meint damit ihren leidenschaftlichen Gesang. Dramatisch ist das durchaus, macht dem Publikum aber hauptsächlich Spaß.

© Johannes Granseth

Man sorgt sich aber nicht nur umeinander, sondern auch um die Natur: Dieses Jahr legt das Festival einen Fokus auf die Fauna. In Kollaboration mit dem Naturhistorischen Museum wird unter dem Claim „The Last Tour?“ über aussterbende Vogelarten informiert. Unter anderem kann man sich auf der Website des Museums eine Spotify-Playlist mit den Lauten der einzelnen Vogelarten anhören.

Norwegens Bruce Springsteen?

Neben den erwähnten Stars, die auf der 25. Ausgabe des Øya-Festival spielen, wird auch der heimischen Musikszene eine besondere Bühne geboten. Dabei werden Künstler*innen, die vielleicht noch etwas kleiner sind, neben große nationale Namen gebucht, sodass man als Außenstehende einen ziemlich guten Eindruck der hiesigen Musikszene bekommt.

Louien etwa überzeugt am letzten Festivaltag mit ihrer glasklaren Stimme und organischem Folkpop-Songwriting.

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Eine absolute Instanz betritt nur zwei Stunden später die Hauptbühne: Fay Wildhagen macht Rockpop, der eingängig, leicht bekömmlich und dennoch mehrschichtig ist.

Sie ist nicht nur begnadete Gitarristin, sondern hat eine Bühnenpräsenz, die den Funken mühelos überspringen lässt. Der Gedanke, dass man sich soeben Norwegens Bruce Springsteen angeschaut hat, ist angemessen.

Fay Wildhagen begeistert dank Talent an der Gitarre, verträumter Stimme und impulsivem Songwriting.

© Ihne Pedersen

Wildhagens Namen sollte man sich sowieso schon mal notieren: Es dürfte nicht mehr lange dauern, bis die 31-Jährige ihre Fühler Richtung Deutschland ausstreckt und den Sprung über den See schafft.

Ist ja fast geschenkt, wenn man das Geld nicht rechnet

Ist es also das beste aller europäischer Stadtfestivals? Das ist natürlich Typsache, aber es gibt schon gute Anhaltspunkte: Es ist liebevoller kuratiert als etwa das Lollapalooza in Berlin, es ist weniger megalomanisch, als das Sziget in Budapest, und das Klima ist kühler als etwa Primavera Sound in Barcelona.

Wer Lust auf einen Städtetrip nach Oslo hat und sich dieses auf eine Øya-Woche legt, wird auf jeden Fall seinen Spaß haben. Allerdings ist zu bedenken, dass ein Ticket für das gesamte Festival, also von Dienstag bis Samstag, um die 350 Euro kostet. Entsprechend günstiger sind die Tages- bzw. Dreitagestickets, die eine gute Alternative bieten.

Die lokale Popkultur gehört ja schließlich auch dazu, möchte man einen Ort richtig kennenlernen.