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Am 31. Juli 2020 gehen zwei Frauen in Harare für Reformen auf die Straße. Auf den Plakaten stehen einfache Forderungen. „Wir wollen bessere Reformen für unsere Institutionen.“ Und: „Freiheit für unsere Journalisten. Ein besseres Simbabwe für alle.“ Bei den beiden Frauen handelt es sich um die Journalistin Julie Barnes – und die Autorin, Filmemacherin und Friedenspreisträgerin Tsitsi Dangarembga.
Die beiden werden noch vor Ort verhaftet, müssen eine Nacht im Gefängnis verbringen, vorübergehend ihre Pässe abgeben – und wurden seitdem zwei Jahre lang von der Justiz gegängelt, bis es im Juni zu einer Gerichtsverhandlung kam. Am 27. Juni soll das Antikorruptionsgericht in Harare darüber entscheiden, was mit den Frauen geschieht.
Im Februar war sie Berlinale-Jurorin
In der Welt kennt man Tsitsi Dangarembga als Booker-Preis-Anwärterin, ihr Roman „Nervous Conditions“ zählt der BBC zufolge zu den 100 Büchern, die die Welt veränderten. 2022 war sie Mitglied der internationalen Jury der Berlinale.
In Simbabwe aber ist sie noch viel mehr als eine bekannte Autorin und Filmemacherin. „Sie ist vor allem ein großes Vorbild“, beschreibt es Barbara Groeblinghoff, die bei der Friedrich Naumann Stiftung für Simbabwe und Südafrika zuständig ist.
Dangarembga war die erste schwarze Frau, die in Simbabwe auf Englisch publiziert hat – eine solche Seltenheit, dass sie in Harare keinen Verleger fand. Ihr Debut erschien in London. Sie war auch die erste schwarze Frau, die bei einem Spielfilm Regie führte. Und sie war bildungspolitische Sprecherin der Oppositionspartei.
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„Sie ist sehr sichtbar“, sagt Barbara Groeblinghoff. Sie hat keinen Zweifel: „Natürlich ist der Prozess gegen Tsitsi Dangarembga ein Schauprozess.“ Dangarembga beobachte die Versuche der Regierung, die Zivilgesellschaft zu zermürben, seit Langem. Dafür soll sie jetzt offensichtlich bezahlen.
Ihr drohen mehrere Jahre Haft. Ein solcher Umgang mit unliebsamen Zivilisten sei in Simbabwe gang und gäbe, sagt Groeblinghoff. „Vorzugsweise werden die Leute am Freitag verhaftet, weil sie erst am Montag dem Haftrichter vorgeführt werden können. So müssen sie zwei Tage im Gefängnis verbringen – mit oft hanebüchenen Anklagepunkten“.
“Illegale Demonstration”, lautet der Vorwurf
Ähnlich verhält es sich auch bei Tsitsi Dangarembga. Die Vorwürfe gegen sie und Barnes lauten: eine illegale Demonstration, sie hätten zudem gegen Covid-Regeln verstoßen. Über einen weiteren, absurden Anklagepunkt rätseln alle Beteiligten noch immer, so Groeblinghoff: den der „Bigotterie“.
Auf jeden einzelnen Vorwurf stünden mehrere Jahre Gefängnis. Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels, der neue PEN Berlin, der Stiftungsrat für den Friedenspreis und der Berliner Orlanda Verlag fordern die sofortige Einstellung des Verfahrens und rufen mit einer Plakataktion Buchhandlungen zur Solidarität mit Tsitsi Dangarembga auf.
26 Mal vorgeladen seit 2020
Die Zermürbungstaktik, die bis zum Beginn des Verfahrens von seiten der simbabwischen Justiz auf die beiden Frauen ausgeübt wurde, ist offenbar ein durchaus symptomatisches Vorgehen. Ganze 26 Mal wurde Tsitsi Dangaremba seit 2020 vorgeladen, wie ihre deutsche Verlegerin Annette Michael vom Berliner Orlanda Verlag berichtet.
Dangarembga wurde in Deutschland erstmals 1991 verlegt – damals beim Rowohlt Verlag. Danach herrschte 20 Jahre lang Ruhe in der deutschen Rezeption. Das änderte sich erst 2019, als Annette Michael die Rechte für „Nervous Conditions“ einholte.
Die Friedrich Naumann Stiftung lässt den Prozess vor Ort in Harare durch eine Mitarbeiterin beobachten. Dangarembga und Barnes hätten müde, verstört und frustriert gewirkt, beschrieb die Beobachterin einen Prozesstag Anfang Juni.
Aufruf zur öffentlichen Gewalt?
Ihr Bericht gibt auch Einblick in die Art, wie das Verfahren geführt wird. Zwei der Poster, die dem Gericht vorgeführt wurden, seien nicht die Originale gewesen und wurden daher als Beweisstücke nicht anerkannt. Ein Polizist, als Zeuge aufgerufen, habe versucht, die harmlosen Poster als Aufruf zur öffentlichen Gewalt darzustellen.
Angesichts der dünnen Beweislage hat Dangarembgas Verteidiger nun beantragt, dass das Verfahren am 27. Juni eingestellt werden soll, berichtet die Friedrich Naumann Stiftung. Dangarembga aber sucht die Flucht nach vorn, in die Öffentlichkeit: Ihr war es inzwischen möglich, eine Lesereise nach Europa anzutreten.
In Frankfurt, wo sie im Oktober 2021 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels entgegengenommen hatte, sprach sie vor wenigen Tagen im Haus am Dom über Machtmechanismen in Simbabwe – nicht jedoch über den andauernden Prozess, das ist ihr untersagt. Am 26. Juni wird sie in Potsdam die 10. Jubiläumsausgabe des Literaturfestivals Lit:potsdam eröffnen. Auch dort wird sie über Gewalt gegen Frauen sprechen können – nicht jedoch darüber, was ihr in Simbabwe widerfährt.
Niemand weiß, wie der Prozess ausgeht
Wie die Chancen stehen, dass das Gericht in Harare den Prozess einstellt, weiß niemand. „Ganz ehrlich: Ich habe keine Ahnung“, sagt auch Südafrikaexpertin Groeblinghoff. Hilft Dangarembga die Berühmtheit – oder erhöht sie die Gefahr, dass die Regierung ein Exempel an ihr statuieren will? „Es könnte in beide Richtungen gehen“, sagt Groeblinghoff. Einerseits sei es immer hilfreich, Licht auf das werfen, was im Land passiert.
Andererseits sieht Groeblinghoff die Gefahr, dass die Regierung zeigen wolle: Wenn jemand wie Dangarembga verurteilt werden kann – wie erst steht es dann um jene, die keiner kennt? Die Regierung wäre wohl nicht traurig, sie los zu sein, sagt Groeblinghoff – womöglich ist das sogar das Kalkül hinter der politisch motivierten Gängelei durch die Justiz. „Aber der vielleicht größte Affront, der ultimative Stinkefinger ist: Sie kommt immer wieder nach Simbabwe zurück.“