Tierschutz und Musiktheater: Kaninchen im Klangsturm

Bei seiner Neuinszenierung von Richard Wagners „Der Ring des Nibelungen“ an der Berliner Staatsoper verlegt Regisseur Dmitri Tscherniakov die Handlung in ein Forschungszentrum. Dabei ist auch ein Labor zu sehen, in dem lebende Kaninchen in Käfigen sitzen, bei gleißendem Licht. Über die Belastung für die Tiere während der Aufführung gehen die Meinungen weit auseinander. Die Amtstierärztin, auf die sich die Berliner Staatsoper beruft, bewertet die Situation für die Tiere als „akzeptabel“.

Dagegen stehen die Gutachten zweiter Fachtierärztinnen, die aufgrund der fehlenden Rückzugsmöglichkeiten der „scheuen Fluchttiere mit ihrem feinen Gehör“ einen sofortigen Stopp von deren Einsatz auf der Bühne befürworten. Sie attestierten den Kaninchen „Todesangst“ und damit „erhebliches Leid“. Das Berliner Verwaltungsgericht lehnte jedoch in einem gerichtlichen Eilverfahren, das die Deutsche Juristische Gesellschaft für Tierschutz e.V. (DJGT) unter Bezugnahme auf diese Gutachten angestrengt hatte, ein solches Verbot ab.

Auch berühmte Opernsängerinnen protestieren

Der umstrittene Einsatz der Kaninchen hat in den vergangenen Wochen für einen riesigen Proteststurm nicht nur unter Tierschützern gesorgt. Eine entsprechende Petition auf change.org verzeichnet knapp 27.000 Unterschriften. Auch Wagnersängerinnen mit einer großen Vergangenheit sowie Nike, Daphne und Wolf Siegfried Wagner, drei Urenkel des Komponisten, meldeten sich mit offenen Briefen an den Intendanten der Staatsoper sowie an die verantwortliche Veterinärtierärztin zu Wort.

Anja Silja, legendär für Ihre Rollenporträts in Inszenierungen des Neubayreuther Festspielchefs Wieland Wagner, verweist in ihrer Forderung nach der Freiheit der Kaninchen auf Erfahrungen aus ihrem eigenen Theaterleben. Die Schreckhaftigkeit der Nagetiere wurde ihr bewusst, als sie in einer Wozzeck-Inszenierung mit Kaninchen auf der Bühne stand. Vor allem ein Affe, der in Aufführungen von Schönbergs „Pierrot Lunaire“ auf einem Pfosten über ihrem Kopf saß und verzweifelt versuchte, sie von sich fernzuhalten, habe ihr vermittelt, „wie groß die Angst der Tiere in ungewohnter Umgebung sein kann.“

Catarina Ligendza,  unvergessen als Brünnhilde im „Zeittunnel“-Ring an der Deutschen Oper Berlin und als Isolde in Bayreuth und Berlin, empört sich darüber, dass die Freiheit der Kunst von Gerichten höher bewertet werden als die Freiheit von Tieren: „Es genügt nicht mehr, Brabanter als Mäuse verkleidet rumwieseln zu lassen, wie im Bayreuther Lohengrin 2013, nein, an der Berliner Staatsoper müssen jetzt echte Tiere in Käfigen mal so richtig rangenommen werden“. Das Tierschutzgesetz werde aus ihrer Sicht nicht eingehalten.

Barbara Felde, Stellvertretende Vorsitzende der DJGT kommt zu einem ähnlichen Ergebnis, dass nämlich die „lobbylosen Tiere gegen mächtige Opernhäuser und Regisseure keine Chancen haben.“ Felde hegt auch große Zweifel, dass sich die Staatsoper an ihr Versprechen gegenüber der Tierrechtsorganisation „Peta“ halten wird, bei einer Wiederaufnahme des „Rings“ im Frühjahr 2023 keine Kaninchen mehr zur Schau zu stellen.

Schließlich habe das Opernhaus dazu nur einen Beitrag auf Facebook veröffentlicht, nicht aber in einer Pressemitteilung. Zudem hatte die Staatsoper ihre Absicht, in künftigen Neuproduktionen generell keine lebenden Tiere mehr einzusetzen“, wie Peta zunächst vermeldete, wieder revidiert. Die Zusage bezieht sich nunmehr nur auf die Kaninchen.

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